Grobschnitt live in Hückeswagen 2009
war eine unglaubliche Veranstaltung, führte die Band doch nicht nur in
einer emotionsgeladenen Form erstmals seit 1978 das Konzeptwerk „Rockpommel’s
Land“ komplett live auf, auch das Rahmenprogramm, das Nobby und Dieter
da auf die Beine stellten, war außergewöhnlich. Ein Fantreffen über zwei
Tage, das es wirklich in sich hatte.
Das schrie natürlich nach einer
Wiederholung und so findet das diesjährige Event - wieder mit einem
umfangreichen Rahmenprogramm - vom 04. bis 05.06.2010 (Fans können
bereits am 03.06. vorglühen) in Hückeswagen statt. Und da dieses
Ereignis seine Schatten voraus wirft (dazwischen gibt es aber auch noch
die Konzerte in Menden, Siegen-Hilchenbach und Osnabrück), setzte man
kurzerhand am 12.05.2010 in Hückeswagen eine Pressekonferenz an, bei der
auch gleichzeitig das neue Album „Grobschnitt 2010 Live“ vorgestellt
wurde. Einige Fans hatten sich dann auf Hinweis der Veranstalter dazu
entschlossen – ich konnte es glücklicherweise auch kurzfristig möglich
machen – zu diesem Anlass schon mal nach Hückeswagen zu kommen.
Als Milla Kapolke und Willi
Wildschwein dann eintrafen staunten sie nicht schlecht, denn die
Überraschung – von der sie im Vorfeld nichts mitbekommen hatten – war
ihnen im Gesicht abzulesen.
Nach einem gemeinsamen Foto und einem
Gespräch mit einem Pressevertreter ging es dann ins Hotel Kniep, wo ein
zweiter Pressetermin, an dem wir dann alle teilnehmen konnten,
stattfand. In einer absolut lockeren Atmosphäre gaben die beiden einige
sehr interessante Statements zur neuen Produktion ab. So erfuhr man
beispielsweise, dass es lange nicht klar war, ob die CD erscheinen
würde, da die Aufnahmen, die in Hückeswagen und Hannover entstanden
waren, sich erst im Laufe der Produktion zu einer
„veröffentlichungswürdigen“ Version entwickelten. Über den Schlusstitel
„Beyond“ sagte Willi, dass der Text aus Milla’s Feder stammt und Willi
die Musik beigesteuert hat. Die Aufnahme entstand in ca. drei
Durchgängen, die Milla, Tatti und Willi im Studio einspielten. Eine
spontane Geschichte, die das Album aber rund macht.
Es ist auch für die Bandmitglieder
äußerst erfreulich, wie sich die Zuschauerzahlen entwickeln, denn das
ist im Progressive- und auch Kraut- bzw. Deutschrockbereich heute nicht
selbstverständlich. Während Bands wie Saga, die in den 70’er und 80’er
Jahren große Hallen füllten, heute in kleinen Hallen und Clubs spielen
und so wenige hundert Leute ziehen oder andere Bands aus dem
Deutschrockbereich auch schon mal mit 40 Leuten auskommen müssen,
spielen die Groben vor 800 – 1.500 Besuchern. Auch kommt der Band
zugute, dass sie nicht mehr den Erfolgsdruck der frühen Jahre spüren, da
sie nicht von der Musik ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
Trotzdem ist es – aufgrund der Komplexität der Stücke (vor allem bei „Rockpommel’s
Land“) – harte Übungsarbeit um den Sound so auf die Bühne zu bringen. Da
müssen manche an den Abenden an ihre Belastungsgrenzen gehen. Das, und
die vielen Proben nehmen sie aber mit Blick auf die Zuschauerresonanz
(Applaus ist bekanntlich das Brot des Künstlers) gerne in Kauf. Wenn man
bedenkt, dass die Band kurz vor ihrem 25. Konzert innerhalb von drei
Jahren steht und sie früher die gleiche Anzahl teilweise in einem Monat
absolvierte, kann man verstehen, dass es heute entspannter zugeht, da
der Tourdruck nicht mehr da ist.
Aber auch andere Themen wurden
erfragt, wie zum Beispiel wie die Bühnenshow entsteht und die Musik mit
dem Licht kombiniert wird. Die beiden erklärten ausführlich dass es bei
Grobschnitt– im Gegensatz zu vielen anderen aktuellen Acts – nicht
möglich ist, eine Lightshow zu programmieren, die auf die Musik
abgestellt ist und die dann automatisch abläuft. Vielmehr läuft es bei
ihren Liveauftritten immer etwas anders und somit wird das Licht von
Toni’s Pult aus u. a. live gemischt.
Es entwickelte sich ein sehr
entspanntes und auch persönliches Gespräch, bei dem man merkte, dass
Milla und Willi sowie die Journalistin und die Anwesenden sichtlich Spaß
an dem Gespräch hatten.
Zur Entstehung der jetzigen Formation
erklärten die beiden, dass der Ursprung auf ein Treffen zwischen Milla
und Nuki bei einem Tsunami-Benefiz-Konzert (im Jahr 2004) zurückzuführen
ist. Die Söhne Nuki und Manu waren ja in ihrer Kindheit mit der
Grobschnitt-Musik und den Bandmitgliedern aufgewachsen (teilweise waren
sie mit auf Tour) und so stellte sich für Nuki die Frage, „Kann ich das
eigentlich auch spielen? Wie würde es klingen wenn wir das heute spielen
würden?“ Und aus reiner Lust fingen Nuki, Milla, Tatti und Rolf an zu
üben. Schnell war auch Manu dabei. Anfangs ging es darum nur Spaß zu
haben. Und als dann Nuki seinen Vater (Willi) dazu überreden konnte sich
das mal anzuhören (er meinte lachend, dass er die Stücke so grade noch
erkennen konnte), war er nach einigen Takten infiziert und griff zum
Mikro. Wie Milla lachend schilderte, war dann der Spaß vorbei, denn
Willi brachte den nötigen Ernst und damit auch den Hang zur Perfektion
ins Spiel. Was daraus geworden ist, können wir seit 2007 live auf den
deutschen Bühnen genießen.
An den ersten Testauftritt (den zählen
sie übrigens nicht zu den Konzertauftritten) in Hagen-Hohenlimburg, hat
Willi aufgrund der plötzlich auftretenden Probleme mit den Stimmbändern
keine gute Erinnerung. Nach einer ersten Diagnose sollte eine Operation
durchgeführt werden, die das erste von zwei geplanten Konzerten dann
einzigartig gemacht hätte, da an ein weiteres Auftreten nicht mehr zu
denken gewesen wäre. Zu unser aller Glück kam es dann aber anders.
Auch einige Anekdoten aus der
langjährigen Bandgeschichte kamen heraus und so konnte man doch noch
einiges Neues erfahren. Da war zum Beispiel die „Merry Go Round“-Tour,
bei der im Rahmen der Jahrmarkt-Show Hunter die Kesselpauken bediente,
Heike (seine Lebensgefährtin) als Primaballerina verkleidet Luftballons
schwenkte, während der „alte Sohn“ von Willi im zarten Alter von fünf
Jahren als kleinwüchsiger Gewichtheber auf der Bühne agierte. Die
Gewichte waren natürlich nicht echt sondern bestanden aus schwarzen
Plastikbehältern. Am letzten Abend der Show hatte sich die Band dann
einen Scherz erlaubt und die Behälter mit Sand gefüllt. Als Nuki dann
die Gewichte heben wollte, bekam er sie nicht hoch und lief frustriert
von der Bühne.
Und auch das tolle Verhältnis zwischen
Band und Fans, das die Konzerte zu einem familiären Happening macht,
wurde ausgiebig besprochen. Die Aktivitäten rund um die Konzerte, wie
das Vorglühen, die After-Show-Partys und die Treffen bekommt die Band
natürlich mit und sie sind alle erstaunt, welch soziales Netz hier
entstanden ist.
Eines wurde aber an diesem Tag auch
klar, Dieter und Nobby haben auch 2010 mit ihrem unermüdlichen und von
Idealismus getriebenen Engagement eine Menge auf die Beine gestellt, das
den Besuch dieses Events (und zwar mindestens über zwei Tage) zu einer
Pflichtveranstaltung macht. Wer es eben möglich machen kann, der sollte
spätestens am Freitag, den 04.06.2010 nach Hückeswagen kommen und sich
zum Beispiel Die gestiefelten Zwerge (mit Mocki Mockros) anschauen.
Stephan Schelle 13.05.2010
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