Es sind bereits viele Worte über
Grobschnitt-Konzerte gesprochen und geschrieben worden. Eigentlich ist
es kaum noch möglich etwas zu beschreiben, was nicht schon da gewesen
ist, doch was an diesem Pfingstsonntag in Hilchenbach abging, war mal
wieder unglaublich. Auch wenn die, die Grobschnitt in der aktuellen
Zusammensetzung noch nicht erlebt haben, es wahrscheinlich nicht glauben
können, so muss ich doch zum wiederholten Male eingestehen, die Jungs
werden immer besser und toppten das Bisherige noch einmal. Aber kommen
wir zu dem Festival:
Das Grobschnitt beim Kultur
Pur-Festival in Hilchenbach auftrat, passte wie die Faust auf’s Auge,
denn Festival und Band feiern in diesem Jahr ein rundes Jubiläum.
Während Kultur Pur 20 Jahre vorzuweisen hat, sind Grobschnitt ja
bekanntlich im Jahr 2010 auf 40jähriger Jubiläumstour. Und wenn die
Groben „draußen“ spielen (so ganz war es ja doch nicht draußen, denn das
eigentliche Konzert fand in einem riesigen Zelt statt, dass an ein
Zirkuszelt erinnerte) dann stimmt auch das Wetter. War es Tage zuvor
noch nass und kalt, so strahlte die Sonne an diesem Tag, was das Zeug
hielt. Petrus wusste schließlich auch, dass am Abend der „Sonnentanz“
auf dem Programm stand.
Schon am Nachmittag trafen sich einige
Fans auf dem Festivalgelände, dem Giller in Hilchenbach. Hier war
zunächst einmal eine Art Familienfest bei bestem Sommerwetter angesagt.
Gaukler und Musiker unterhielten das zahlreiche Publikum und an den
Ständen floss das Bier und brutzelten die Würste und Schnitzel. Und
mitten drin befand sich eine Horde von Grobschnitt-Jüngern, die an ihrem
Outfit unschwer zu erkennen waren. Aber nicht nur Hardcore-Fans, auch
Besucher, die man sonst nicht bei den Konzerten sah, fanden sich auf dem
Giller ein, um zunächst einmal einen gemütlichen Tag zu genießen.
Während wir so im Freien den Lieben
Gott einen guten Mann sein ließen (es ist immer wieder toll diese
Atmosphäre unter den Fans aufzusaugen), musste die Band gegen 18:00 Uhr
ihren Soundcheck im Großzelt absolvieren. Die Gitarren, Rolfs Schlagzeug
und vor allem die Bässe von Milla Bass und Tatti’s Keyboards dröhnten
über den Platz. Eine ältere Dame war von den Bässen so irritiert, dass
sie aufstand und den Himmel nach einem Helikopter absuchte. Danach hatte
die Band auch schon vor dem Konzert die Möglichkeit sich unter die Fans
zu mischen und so gab es auf dem großen Festivalplatz bereits am späten
Nachmittag bzw. frühen Abend viele gute Gespräche. Und Ralf Dreger
stellte unter Beweis, wie schnell doch ein Haarwuchsmittel funktioniert,
denn sein Kurzhaarschnitt hatte innerhalb von nur einer Woche fast 30
Zentimeter zugelegt. Den Beweis liefern die Fotos.
Um 21:45 startete die Band dann ihren
Gig. Die späte Stunde war einer zweiten Veranstaltung geschuldet, die in
einem Nachbarzelt ablief und bei gleichzeitiger Durchführung doch arg
gestört worden wäre. Der späte Beginn war für Zuschauer und Band
gleichermaßen ungewöhnlich, doch was sich dann auf der großen Bühne
unter dem Zeltdach abspielte, war phänomenal.
Ich hab schon viele Konzerte dieser
Formation gesehen, doch in so ausgelassener Stimmung habe ich sie noch
nie erlebt. Und spieltechnisch waren sie an diesem Tag einfach perfekt.
Es gab aber auch gar nichts auszusetzen, nicht mal Klagen auf höchstem
Niveau war möglich. Das lag sicherlich an der tollen Atmosphäre auf dem
Gelände sowie der tollen Stimmung im Zelt, das mit ca. 2.000 Zuschauern
gut gefüllt war.
Die Band spielte wie aus einem Guss
und präsentierte sich in bestechender Form. Wenn man sonst schon mal
kleine Verspieler wahrnehmen konnte, so war der Auftritt perfekt und
sauber gespielt. Willi und Toni waren darüber hinaus gesanglich
hervorragend und brachten die Stücke mit viel Herz rüber. Man sah an
diesem Abend nur lachende Gesichter. So locker war die Stimmung auf der
Bühne meiner Meinung nach noch nie.
Die einzelnen Musiker der „ersten
Reihe“, ob Willi, Milla, Nuki oder Manu nutzten die große Bühne und
machten ein ums andere Mal einen Ausflug auf die vorgezogenen
Lautsprecher, die am Bühnenrand aufgestellt waren. Damit verkürzten sie
des Öfteren den Abstand zum Publikum. Und auch die Roadies boten bei der
Show einen perfekten Einsatz. Ob als Stoney’s, Autofahrer mit Schutzmann
oder Steven als Mary Green, sie alle zeigten, dass sie einen Mordsspaß
hatten. Steven als Mary Green mit seiner Spielzeuggitarre ist wirklich
ein Brüller, vor allem wenn er sich mit Nuki, Manu und Milla ein
Gitarrenduell liefert.
Einige Teile bzw. Nuancen waren im
Gegensatz zu Menden schon wieder verändert, so zeigte die Band bei
„Solar Music“ beispielsweise längere Solopassagen (vor allem Milla hatte
sein Solo toll ausgearbeitet). Ein kleines Beispiel für die Faszination,
die sie an diesem Abend ausstrahlten war die Tatsache, dass ich mich gut
vor der Bühne platziert hatte und auf den Moment wartete, bis die
seitlichen Feuerfontänen vor Rolf’s Schlagzeug hochschießen und Nuki
davor steht. Dies wollte ich unbedingt ablichten. Ich war aber so von
der 70’er-Jahre-Passage von „Solar Music“, im Zeitfenster vom
„Sonnentanz“ berauscht, dass ich teilweise völlig weg war und auch mit
geschlossenen Augen nur so dahinschwebte. Als ich die Augen öffnete,
stand Nuki schon mittig auf der Bühne und die Fontänen schossen hoch.
Als ich in der Hektik meine Kamera endlich bereit hatte, war der
Feuerregen auch schon wieder beendet.
Das Licht war ebenfalls Top und sorgte
für eine tolle Atmosphäre und die Nebelschwaden waren an diesem Abend
besonders dicht und waberten ein ganzes Stück in die Zuschauer hinein,
so dass man zeitweise die Musiker nur als Schatten, vor den hellen
Scheinwerfern ausmachen konnte. Die Papierschnipsel, die im Finale von „Rockpommel’s
Land“ von der Decke fallen, schwebten durch die Thermik im Zelt
Minutenlang durch den Raum. Trotz der späten Stunde spielten Grobschnitt
ihr komplettes dreistündiges Programm und hinterließen am Ende eine
jubelnde Menge, in der die Hardcorefans nur einen kleinen Anteil der
Zuschaueranzahl ausmachte. An diesem Abend hat die Band eine Menge neuer
Freunde gewonnen.
Nach dem Konzert mischten sich die
Jungs ebenfalls wieder unters Publikum und tranken den ein oder anderen
Tropfen mit den verbliebenen Fans. So endete ein unglaublicher
Pfingstsonntag, von dem ich immer noch nicht genau weiß, ob er
Wirklichkeit war oder doch nur ein „Film in meinem Kopf“.
Stephan Schelle,
24.05.2010
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