Falke 1977 (Weiterführung des Telefongesprächs von der LP "Eroc
3"):
Happeditappetitu, und da sollste ma sehn, bist du ausgebrannt, is de
ganze Gruppe GROBSCHNITT ausgebrannt, ich schwörs dir. Und nich YES angucken, wie lange
soll de YES-Welle denn noch andauern? Hörma, die warn ein Jahr tot oder anderthalb
tot, weil sie nicht mehr wußten was se bringen sollten. Die ham die Musik total
erschöpft, YES. Das is für mich 'ne Spitzengruppe, verstehste? Die können auch Musik
machen, das sind Vollblutmusiker, bloß der Stil is veraltert. Das hörn sich nur
noch Idioten an, die voll im Rausch sind ...
O.K. soweit Falkes Kommentar. Das Interview führte Eroc mit
seiner Frau, die unsere Fragen vorliest und die auch manchmal ihre Kommentare abgibt.
Eroc: Musik als Emanation der Kunst, eilt ihrer Zeit
immer voraus um dem Zuhörer seine eigene ... du brauchst nicht schnaufen wenn ich
spreche!
Seine Frau: Ich schnaufe doch gar nicht!
Eroc: Meine Güte, wie ein Nilpferd. Na gut, dann
lassen wir das.
Seine Frau: Ja, willst du deinen Satz noch mal proben?
Eroc: Den kann ich auch morgen draufsprechen. Das ist
nicht wichtig, dann quakt wenigstens keiner dazwischen.
Seine Frau: Na gut, fangen wir an.
Eroc: Also, so ein Interview ist immer eine heikle
Sache. Wie beim musizieren ist ja nun die gegenseitige wechselhafte Beziehung der Gefühle
zweier oder mehrerer Personen untereinander doch mit das wichtigste um ein Gewebe von
Gefühlen, von Gedanken, eine Spinnerei von Äußerungen und Empfindungen im Raum
entstehen zu lassen. Wenn man ganz allein vor einem Mikrophon sitzt, kann man ja manchmal
nicht das richtige Wort finden und wenn man von jemandem interviewt wird, der einem sehr
vertraut ist, ist das doch ein etwas heikles Unterfangen, weil man in den Reaktionen doch
sehr, durch das eigene Gefühl zu eben diesem jenem anderen geprägt ist. Meine liebe Frau
(lacht) ...
Seine Frau: Da wird ja der Sprudel im Glas sauer.
Eroc: ... wird mich interviewen.
Krautrock: Ist ein neues EROC-Album geplant? Falls ja,
wann ist damit zu rechnen? In welche musikalische Richtung wird es gehen?
Eroc: Ein neues E.ROC-Album ist zur Zeit in Arbeit.
Ich arbeite zum Teil schon seit zwei drei Jahren an den Stücken. Bei mir hat das ja immer
sehr viel Zeit, weil ich doch ganz gern so die Erfahrungen, die ich im Laufe einer
Lebensperiode sammle, mit in die Musik einweben möchte. Klingt gut, ja?
Also bei mir dauerts immer etwas länger, weil ich ja alles
selber mache. Akkordeon spielen, das kann ich ja nicht so richtig, aber irgendwie versuch
ich mit den fünf Fingern immer auf die Tasten zu kommen, zumindest nicht zwei zugleich
runterzudrücken, die nicht zusammen passen. Und das dauert dann schon so seine Zeit und
dann fummle ich mir den Kram dann noch so auf der Mehrspurmaschine zusammen,. bin dann
mein eigener Schlagzeuger, mein eigener Gitarrist, mein eigener Produzent, mein eigener
Lötefix und dann muß ich den ganzen Kram auch noch verkaufen. Irgendwie dauert es schon
seit einer geraumen Zeit an. Aber es sind ein paar Stücke fertig. Eben habt ihr ja schon
das Stück "Greenhouse Effect" gehört und im Hintergrund hört ihr
"Fantastico" und die gesamte Konzeption trägt den Namen "Wolkenreise
2000".
Krautrock: Du hast auf der GROBSCHNITT Last Party am
4.12.89 angekündigt, eine GROBSCHNITT-Live-CD-Serie herauszubringen. Wann wird dies der
Fall sein? Wieviel Material wird veröffentlicht werden und aus welchen Zeiträumen wird
es sein?
(Hierzu blendet Eroc seine Ansage beim oben genannten
GROBSCHNITT-Konzert ein) Ich war ja früher sehr berühmt für lange Ansagen, so daß ich
es heute nicht so weit treiben will. Aber einen kleinen Hinweis habe ich noch für euch,
der euch sicherlich interessiert. Ich habe in den vielen, vielen Jahren Arbeit mit
GROBSCHNITT unglaublich viele Auftritte auf Tonband mitgeschnitten. Es gibt also Dokumente
über GROBSCHNITT die unersetzlich sind. Und es gibt eine Idee, vielleicht in absehbarer
Zeit, eine Chronik dieser Gruppe im Rahmen von 5, 6, 7, 8 oder 9 CDs auf den Markt
zu bringen.
Eroc: Ich habe Tonbandarchivaufnahmen aus allen
Zeiträumen der Gruppe GROBSCHNITT. Die frühesten Aufnahmen gehen zurück in das Jahr
1966, wo Lupo und ich bereits "Johnny Guitar" intonierten. Es gibt Aufnahmen aus
Zeiten, wo GROBSCHNITT noch gar nicht GROBSCHNITT hieß, damals hießen wir noch "THE
CREW". Es gibt Aufnahmen, wo GROBSCHNITT überhaupt angefangen hat aufzunehmen und
die ersten Auftritte. Es gibt unveröffentlichte Sachen, es gibt viele Mitschnitte von
Konzerten, wahrscheinlich 120 bis 200 an der Zahl, viele Versionen von "Solar
Music", klanglich sehr gute Aufnahmen aus großen Hallen. Wenn ich das alles
rausbringen würde, wären das bestimmt so an die 50 60 CDs. Das geht
natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, denn im Moment seh ich mich ganz alleine mit der
Sache, da weder von der Gruppe noch von der Plattenfirma irgendein Interesse besteht. Zur
Gruppe habe ich keinen nennenswerten Kontakt mehr, die Plattenfirma läßt auch nichts von
sich hören und irgendwelche Medienleute oder Zeitungen haben sich auch noch nicht bei mir
gemeldet. Es sind immer nur wieder Fans wie ihr und auch ein paar andere, die mir schon
geschrieben haben, die unbedingt möchten, daß da irgendwas rauskommt. Ich glaube, ich
werde es ganz alleine durchziehen müssen. Ich habe auch viele Fotos aus der ganzen
Geschichte, die man z. B. fürs Cover verwenden könnte. Alles sehr interessante Sachen.
Aber es ist noch nicht konkret, sie lagern in meinem Archiv. Zur Zeit habe ich durch meine
Arbeit mit anderen Gruppen, wie Philip Boa, überhaupt keine Zeit für die ganze
Geschichte. Aber ich hoffe doch, daß ich mit einer ersten Materialsichtung in diesem Jahr
anfangen kann.
(Im Hintergrund hört man nun auf der Kassette einen Livemitschnitt von
"Solar Music" aus Bremen von 1981. Sehr gute Qualität, kann man da nur sagen!)
Krautrock: Könntest Du Dir eine Reformierung von
GROBSCHNITT vorstellen? Wenn ja, wer würde dort mitspielen?
Eroc: Eine Reformierung von GROBSCHNITT wäre nur
möglich, wenn die Mitglieder dabei wären, die die Gruppe über die längsten Phasen
ihres Schaffens getragen haben. Das wäre Lupo, Wildschwein, Toni, Mist und ich. Bei den
Bassisten weiß ich nicht, ob nun unser lieber Hunter, genannt Popo, oder der Milla
Kapolke wichtiger ist, das müßte man noch diskutieren. Das wäre die Mannschaft für ein
GROBSCHNITT-Revival. Dazu möchte ich aber persönlich sagen, daß ich selber bis dato
kein Interesse an solch einer Sache habe. Der letzte Auftritt in der Hagener Stadthalle am
4.12.89 war irgendwie ein Schlußpunkt und es war auch schön noch mal mit den Jungs
zusammen auf der Bühne zu stehen, aber ich habe nicht das Gefühl, wenn wir alle zusammen
etwas neues beginnen würden, daß das so werden könnte wie damals. Wir würden die
Erwartungen der Leute nicht erfüllen können. Die meisten würden kommen und wollten
"Rockpommels Land" und "Solar Music" hören und die Gruppe
könnte die Stimmung von damals nicht aus der Retorte reproduzieren. Es wäre etwas neues,
wobei sich da die Frage aufwirft, ob wir alten Knacker mit den Neuen noch mithalten
können (verächtliches Gelächter).
Krautrock: Kannst Du den Ablauf der Last Party am
4.12.89 schildern? Bei welchen Songs spielst Du, Hunter, Milla oder Mist mit?
Eroc: Der Ablauf war einfach. Lupo rief mich an und
hat gesagt: "Hör mal, willste nicht mitmachen?" Ich hab gesagt: "Klar, was
sollen wir denn machen?", "Joo, weiß ich auch nicht, joo, ich würd sagen, wir
machen erst mal den Zauberer. Das ist am wenigsten Risiko, das kommt vom Tonband und dabei
können wir uns nicht verspielen." O.k., dann lief "Der Zauberer", der die
"Sahara"- bzw. die "Schweine im Weltall"-Show lange Jahre eingeleitet
hat, auf der Bühne vom Tonband. Dazu spielte ich die Figur, mit allen Gags, die die Leute
so von damals von mir gewohnt waren. Danach kam das Stück "Schweine im Weltall"
und dann "Wir wollen leben". Beide Stücke sind für mich am Schlagzeug sehr
sehr einfach zu spielen, deshalb hat es gereicht, daß wir uns eine Woche vorher zweimal
getroffen und die Sachen geübt haben. Das war kein großes Problem. Der ganze Auftritt
war schön, ich war die meiste Zeit hinter der Bühne und hab mit den alten Mitgliedern
gefeiert, und als wir an der Reihe waren, gings dann halt zur Sache.
Krautrock: Hast Du zwischen "Eroc 4" und
"Changing Skies" keine Solo-LP gemacht (Wir wissen nur von der Single
"Sonntagsfahrt" von 1984)?
Eroc: Ja, das ist richtig. Da lagen ja bekanntlich 3 -
4 Jahre dazwischen und in dieser Zeit hatte ich sehr viele Ideen und auch sehr sehr viele
Einfälle in sehr untypischer Art für meine Musik, die ich auch teilweise richtig
realisiert habe. Es existieren Stücke aus dieser Zeit, die allerdings, dank meines
Verleger, nie veröffentlicht worden sind. Das waren vielleicht die härtesten Stücke,
die ich je gemacht habe und die härtesten Stücke, die vielleicht auch GROBSCHNITT je
gemacht hätte. Ihr wißt, ich bin nach dem Album "Razzia" ausgestiegen und auf
"Razzia" gibt es einige sehr harte Stücke, z. B. "Wir wollen
sterben", was aus meiner Feder stammt und auch größtenteils von mir gespielt wurde.
Weiterhin auch das Stück "Razzia" selbst und das Stück "Remscheid",
was mir damals auch sehr am Herzen gelegen hat. Von dem Stück "Remscheid" habe
ich dann eine super knallharte Version gemacht. Es gibt weitere Stücke, wie z. B.
"Gold ist das was zählt" oder "Wer rettet die Welt" oder "Danger
keep out". Das sind Stücke, wo ich meine eigenen Texte gesungen habe und meine
Kompositionen verwandt habe. Es sind sehr interessante Sachen, aber ein guter alter Freund
von mir hat gesagt: "Hör mal, irgendwie macht das alles den Eindruck, als sei das
eine Abrechnung mit GROBSCHNITT und der ganzen Szenen drumrum." Ich glaub, das ist es
auch irgendwo gewesen. Ich weiß nicht, ob das die Leute so interessiert hätte, wie meine
anderen Sachen. Die meisten kennen mich nun mal unter Instrumental-Ziehharmonika-Eroc,
wenn überhaupt und wenn ich da nun mit knallharten Power Metal Stücken angekommen wäre,
wären die wahrscheinlich alle sehr verprellt gewesen. Deswegen sind diese Titel im Archiv
geblieben und ich habe dann solange gewartet, bis ich eine Sammlung von
Instrumentalstücken zusammen hatte, die dann in das gängige Eroc-Bild paßten. Die habe
ich dann unter dem Oberbegriff "Changing Skies" zusammengefaßt und 1986
rausgebracht.
Krautrock: Hast Du eigentlich Einsendungen auf den
Song "Euer Lied" von "Eroc 3" bekommen?
Eroc: Ja, etliche. Manche waren ganz lustig und manche
waren einfach nur schlecht. Gebrauchen konnte ich nichts davon, aber irgendwo hatte ich
das auch gar nicht vorgehabt. Ich wollte einfach nur, daß die Leute mal ein bißchen mit
dem Arsch hochkommen.
Eroc im März 2000 in seinem Studio
Krautrock: In welche Richtung tendiert das zusammen
mit Hans Reichel aufgenommene Album "Kino"? Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Eroc: Dazu kann man ein Buch schreiben. Es war eine
Zusammenarbeit, die sich über zwei bis drei Jahre hingezogen hat, indem wir intensiv an
diesem Projekt gearbeitet haben. Hans Reichel ist ein alter Freund von mir, ich kenne ihn
seit 1967. Ich habe für ihn seit ca. 1970 zehn seiner Langspielplatten aufgenommen. Das
heißt, ich habe an der Technik gesessen und er hat die Musik gemacht. Er spielt ja
bekanntlich Gitarre solo oder auch mit anderen mehr oder weniger bekannten Jazzmusikern
zusammen. Und durch diese Zusammenarbeit ist die Idee geboren worden, daß wir zusammen
einfach mal die Instrumente ergreifen und ein bißchen durch den Kakao ziehen, und das ist
ja auf "Kino" auch sehr effektiv passiert. Was da alles zum Musikmachen benutzt
wird und ge- und mißbraucht wird, ist nun wirklich nicht mehr an zwei Händen
abzuzählen. Man müßte wirklich ein Buch und ein Fotoalbum dazulegen um die ganzen
Sachen, die alle auftauchen irgendwie den Leuten nährzubringen, falls sie es nicht durch
das Hören erfahren.
Krautrock: Wieso hat auf "Eroc 4" Lupo zwei
Songs geschrieben?
Eroc: Haha, das haben schon viele gefragt. Ich weiß
nicht, ob ich das so geradeaus sagen darf, Lupo hatte einen ganz großen Komplex im Kopf,
als ich mit meiner Wolkenreise plötzlich so einen Erfolg hatte. Er hat das nicht
verstanden, zumal er doch immer derjenige war, der in der Gruppe die harmonischen
Melodieläufe komponiert hat und die Instrumentalmusik von Anfang an, wie ich, sehr
geschätzt hat. Wir haben damals, als wir noch Klassenkameraden waren, so 1963/64/65 rum,
haben wir gewetteifert, wer die meisten Platten von den SHADOWS, den SPOTNICKS, den
VENTURES und den TORNADOS hat. Das waren damals die vier größten Instrumentalgruppen und
wir waren absolute Fans von diesen Leuten, deswegen haben wir irgendwo die gleichen
Wurzeln. Und nun hatte der Erke plötzlich die "Wolkenreise" und war bekannt als
Instrumentalkünstler und Lupo stand ziemlich leer da, weil GROBSCHNITT an
Instrumentalstücken ja sehr wenig zu bieten hatte. Deswegen haben wir uns irgendwann mal
zusammengesetzt und er meinte: "Hör mal, ich habe da ein paar gute Ideen für
Stücke. Können wir da nicht irgendwie übereinkommen, daß du die unter deinem Namen
veröffentlichst und ich kann mich da mal drauf verwirklichen?" Das ist dann auch
geschehen. Ich habe die Sachen zum Teil gespielt. Er spielte Gitarre und ich die
Synthesizer und wir haben in gemeinsamer Abstimmung dann versucht seine musikalischen
Ideen zu präsentieren.
Krautrock: Findest Du nicht, daß James Last Deinen
"Wolkenreise"-Stil etwas zu genau kopiert hat? Er hatte ja ca. 1981 auch noch
einen Hit im ähnlichen Stil.
Eroc: Kopiert werden nur gute Leute. Ich habe mit
meinem Stil niemanden kopiert. Aber was die Qualität dieser Kopie anbetrifft, ihr sprecht
sicher von dem Titel "Biscaya", der ja vom Stil her gewiß eine Kopie meiner
"Wolkenreise" ist. Die Rückseite des Titels "Biscaya", das war ja
eine Single, heißt "Verlorener Sommer" und das ist dann die genaue Kopie meines
Titels inklusive des Gitarrenschwenks am Anfang. Also ich finde, James Last hat das ganz
gut nachgemacht, aber er hat ja sein Leben lang alle möglichen Stücke nachgespielt, so
daß das für den Mann eigentlich gar nichts ungewöhnliches ist.
Krautrock: Hast Du außer bei Philip Boa noch bei
anderen Leuten gespielt? Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Philip Boa, denn die
Musikrichtung ist doch eine ganz andere, oder?
Eroc: Gespielt habe ich bei diversen
Studioproduktionen. Bei Philip Boa spiele ich sehr viele Sachen. Die Zusammenarbeit mit
ihm kam zustande, als er plötzlich im Studio stand und sagte: "Hör mal, kannst du
nicht mal unsere LP zusammenmischen? Wir wollten das eigentlich bei Conny Plank machen,
aber der hat keine Zeit." Da fühlte ich mich natürlich gebauchpinselt, weil der
Conny nun ja ein ganz alter Freund von mir gewesen ist. Ich weiß was er konnte und ich
weiß auch, was ich bei ihm gelernt habe und wenn die dann zu mir kommen und sagen, komm,
mach du das mal eben, war ich irgendwo ganz happy drüber. Ich habe mir die Musik
angehört und habe gemerkt, da steckt ganz viel dahinter, was man herausarbeiten und
herausmeißeln muß. Dann habe ich die Gruppe unter meine Fittiche genommen und jetzt die
vierte oder fünfte LP mit ihnen zusammen aufgenommen und gemischt, wobei ich sehr oft
Keyboards, Schlagzeug, Gitarre oder auch Bass und sonstige Sachen spiele, je nach dem, ob
es angesagt ist, wenn es grad kein besserer kann. Der Stil von Philip Boa ist ja nicht
sehr einfach zu beschreiben. Auf der neuen LP "Helios" habe ich ein Stück
selber komponiert und bei fünf Titeln als Produzent mein bestes getan. Es sind Titel, die
sind irgendwo gar nicht so anders von dem, was ich eigentlich machen will und machen
wollte, wenn ich mit Leuten zusammenarbeite. Setzen wir jetzt mal Eroc an die Seite mit
Ziehharmonika und Playbacktechnik. Bei GROBSCHNITT habe ich einige Sachen an "Solar
Music" und auch an "Razzia" sehr stark geprägt. Das sind zumeist harte
aber auch melodiöse Sachen gewesen. Bei Philip Boa wird man an der neuen LP auch merken,
Titel wie z. B. "Tristan", "Galerie der Fälschung" oder
"Pfirsicheisen" die eindeutig meine Handschrift tragen und die das wiedergeben,
was ich eigentlich immer mit befähigten Leuten machen wollte. Ich halte Philip Boa für
einen Sänger, der wirklich interpretieren kann und er hat z. B. bei diesem Stück
"Pfirsicheisen" genau das rübergebracht, was ich mit diesem Stück aussagen
wollte.
Krautrock: Laut der Aussage des Innencovers von
"Changing Skies" hältst Du nichts von digitalen Synthies (Wir aber auch nicht).
Warum? Liegt es an der engen Verwandtschaft mit dem Computer?
Eroc: Das liegt an der engen Verwandtschaft mit der
Maschine. Um Musik zu machen braucht man keine Maschinen, höchstens um Musik aufzunehmen.
Der Synthesizer an sich, so wie ich ihn in den frühen70ern kennengelernt habe, war ja
eigentlich ein Bastelgerät. Die ersten großen Moog-Anlagen, wo man noch mit Kabeln alles
zusammenstrippen mußte, hatten soviel Kreativität an sich, man konnte soviel entdecken
und soviel kombinieren, so daß es einfach Spaß gemacht hat, tagelang mit diesen Geräten
zu arbeiten. Heutzutage, diese digitalen Synthesizer, sind perfekt. Auf Knopfdruck
offerieren sie alles, vom Elektroklavier bis zur menschlichen Stimme. Wenn man etwas
bearbeiten will, muß man einen Computerlehrgang mitmachen. Ich weigere mich nach wie vor,
als Musiker zum Programmierer zu werden, denn Musik ist eine Sache die unmittelbar
passiert. Am besten spielt man noch Gitarre mit den Fingern und nicht mit
Plastickplättchen. Sobald dann aber noch Plastickknöppe, ne Schaltleitung und ein
Bildschirm dazwischen sind, da kann da schon nichts mehr bei rauskommen. Tastendrücker
sind sowieso alle krank im Kopf. Und Tastendrücker, die noch einen Bildschirm haben,
sollten lieber in die Flugleitzentrale gehen, aber keine Musik machen. Davon ab, klingen
digitale Synthesizer in vielen Fällen, bei allem Respekt, einfach schlecht. Die Erfahrung
machen wir täglich im Studio, wenn man in einem Gemisch mit vernünftigen Rockgitarren
und richtig schönem Powerschlagzeug irgendwelche Keyboardsounds und Streicherflächen
unterbringen will. Wenn die aus einem digitalen Synthesizer kommen, z. B. aus dem DX7,
dann gehen die einfach unter. Man kann die noch so laut machen, sie klingen nicht schön
und nerven dann nur noch. Wobei andere Synthesizer, analoge wie der Prophet 5, nach wie
vor durch ihre Wärme einen ganz berechtigten Platz neben anderen Instrumenten haben. Ein
DX7 wird niemals ein Fender Rhodes Piano nachmachen können. Ich habe noch so ein altes
Ding und noch so ein altes Clavinet von Hohner oder ne alte Hammond B3 hier stehen.
Das kann kein digitaler Synthesizer machen, das funktioniert einfach nicht, das sind
einfach billige Kopien. Aber da sie heutzutage jedem erschwinglich sind, wird der Kreis
der Leute, die das richtig beurteilen können auch immer kleiner. Jeder Seftl und jeder
Frisör darf heute ne Solo-LP machen mit digitalen Synthesizern. Kostet alles nicht
mehr viel, aber jeder Frisör und jeder Seftl sind noch lange keine guten Musiker. Punkt!
Krautrock: Laut des Spruchs auf der "Changing
Skies" setzt Du Dich auch aktiv für die Natur ein. Bist Du bei Greenpeace oder was
hältst Du von solchen Organisationen?
Eroc: Greenpeace ist eine ganz fantastische Sache,
weil sie die Probleme direkt, konkret vor Ort angeht. Der andere Weg ist, eine
Sensibilisierung der Menschen zu erreichen. In ihnen etwas zu bewegen, durch Mitteilung
von Gefühlen, eben über die Musik und auch über Texte, wie ich es auch in dem
"Traum vom Wald" im Jahre 1976 auf der "Eroc 2" und viel direkter mit
"Wir wollen sterben" und "Wir wollen leben" auf "Razzia"
versucht habe. Es ist möglich, die Harmonie der Natur in die Harmonik der Musik zu
transformieren. In vielen meiner Stücke, zum Beispiel auch auf "Changing
Skies", habe ich konkrete Erfahrungen aus der Natur, aus der großen skandinavischen
Weite, von der See, aus den Wäldern in Klänge gefaßt. Es ist jedem möglich, sofern er
dafür empfänglich ist, diese Gefühle und Kräfte aus meiner Musik wieder
herauszuempfinden und sie dann für sich selbst und damit auch wieder für andere in der
eigenen Umgebung nutzbar zu machen. Ich baue zum Beispiel bewußt nachdenkliche Momente in
meine Musik ein, denn das Nachdenken ist der erste Schritt vor dem Erkennen und dem
Handeln, womit wir dann wieder bei Greenpeace sind.
Krautrock: Ist der Song "Hagener
Wellenreiter" eine Anspielung auf EXTRABREIT oder allgemein auf die Neue Deutsche
Welle?
Eroc: Beides. Damals kamen die an und wollten
unbedingt daß ich für diesen Hagen-Sampler einen Song mache. Es ist eine eindeutige
Anspielung auf die Neue Deutsche Welle, wie auch einige Titel auf "Razzia", z.
B. Es ist auch ein bißchen eine Anspielung auf GROBSCHNITTs verzweifelte Versuche
in der NDW mitzureden. Die Alten, die ihren Arsch in Falten legen, oder wie ging das da,
und bis er glüht, was übrigens Toni Moff Mollo intoniert hat. GROBSCHNITT hat immer
versucht das mitzuhalten, obwohl sie es nicht nötig hatten. Es war vielleicht ein großer
Fehler, so sehr auf die jungen Leute zu schielen. Man soll der Jugend ihren Lauf lassen,
und die alten hätten bei ihren Leisten bleiben sollen, hätten "Solar Music"
und "Rockpommels Land" gut weiterspielen können. Sie hätten nicht
unbedingt versuchen sollen, an EXTRABREIT ranzukommen.
Krautrock: Auf der "Razzia" habt ihr den
Stil ja sehr verändert. Vielleicht etwas hin zur NDW. Lag das an Milla Kapolke? Ist das
auch der Grund für Deinen Ausstieg gewesen?
Eroc: Das lag daran, daß bei den Vorbereitungen zur
"Razzia" der Organist Mist gegangen wurde und ich plötzlich alles am Hintern
hatte. Ich war nicht nur Texter und Komponist, ich war gleichzeitig auch Tonkutscher und
mußte die Sache in unserem Übungsraum selbst aufnehmen und hatte auch noch die
ehrenvolle Aufgabe, sämtliche Keyboards zu spielen. Natürlich ist das ein Stileingriff.
Volker Mist hat ganz anders gespielt als ich. Ich hatte einen Synthesizer zur Verfügung,
nämlich den Prophet 5 und habe damit versucht, alles nachzumachen, was er so früher mit
seinen acht Keyboards hergestellt hatte. Es ist teilweise sehr gut geworden, aber auch in
eine andere Richtung gegangen, sehr eigenartig geworden. Ich finde, daß die
"Razzia" im Reigen der GROBSCHNITT-LPs durchaus ein ganz berechtigter
Punkt ist.
Krautrock: Wie gefällt Dir die "Razzia" im
Nachhinein? Welches ist Dein liebstes GROBSCHNITT-Album?
Eroc: Mein liebstes GROBSCHNITT-Album ist
"Razzia" und mit Abstrichen "Illegal". Auf "Illegal" ganz
besonders "The Sniffer", weil während der Abmischung dieses Stückes, ist mein
lieber alter Stiefvater verstorben. Seitdem habe ich eine unheimliche Beziehung zum
Schlußpart dieses Stückes.
Krautrock: Warum sind Popo und Mist bei GROBSCHNITT
ausgestiegen? Was macht denn Mist heute?
Eroc: Bei Popo war es so, daß er den Leistungen der
Gruppe nicht mehr gerecht werden konnte. Bei Mist war es so, daß er mehr private Probleme
hatte und somit im Rahmen der gesamten Gruppenpsyche ein sehr sehr störender
unharmonischer Faktor war. Lassen wir es einfach dabei bewenden, sie sind einfach ihren
Weg gegangen und für beide war es kein schlechter Weg. Popo ist mit EXTRABREIT größer
denn je geworden und hat mehr Whisky denn je gekriegt und durfte auch endlich auf der
Bühne wieder saufen. Mist arbeitet fürs Theater, für irgendwelche Filmgeschichten und
arbeitet auch mit irgendwelchen Disco-Sängerinnen zusammen. Er schickt mir hin und wieder
Kassetten.
Krautrock: Was hältst Du von der Version von
"Solar Music", wie sie in den letzten Jahren gespielt wurde, denn es wurde stark
verändert, wenn nicht grundlegend neu geschrieben?
Eroc: Another Hole in the Wall!
Krautrock: Auf "Falke Whips it out" von
"Eroc 3" gibst Du zusammen mit Falke Deine Abneigung zu YES bekannt. War das ein
Gag? "Rockpommels Land" oder "Jumbo" waren doch wohl auch in
gewisser Weise YES-ähnlich.
Eroc: Peter Falke ist kein Gag, den gibts noch.
(Anmerkung: Eroc geht nun mit seinem Bandgerät in die Werkstatt von Falke und befragt ihn
dort.)
Eroc: So, dann wollen wir mal gucken, ob der Herr
Falke überhaupt zuhause ist, in seiner Werkstatt. Der Schornstein raucht ja schon ganz
kräftig (hustet kräftig). Ach du meine Güte, was machst Du denn hier? Meine Güte, hast
Du den Ofen aus der Gefangenschaft mitgebracht? Also, jetzt sind wir hier in der
Autowerkstatt von Peter Falke. Was verbrennst Du eigentlich, alter? Autoreifen?
Falke: Frische Eierkohlen.
Eroc: Tja, Herr Peter Falke ist nach 12 Jahren immer
noch Automechaniker, mit Herz und Seele und immer noch der beste, den ich weit und breit
finden kann. Also Falke, war "Falke whips it out" ein Gag?
Falke: Mensch Erke, das ist doch schon 10 - 12 Jahre
her, seit ich das "Whips it out" mal gemacht habe, rausgepeitscht. Wahnsinn.
Eroc: Also, ein Gag war das nicht. Das ist ein
richtiges Telefongespräch. Wir haben richtig miteinander telefoniert.
Falke: Erke, an alles kann ich mich zwar nicht mehr
erinnern, aber war das nicht die Zeit wie GROBSCHNITT mit Rockpommel rummachte?
Eroc: Genau, "Rockpommels Land" war
neu rausgekommen und wir haben am Telefon darüber geredet.
Falke: Tja, das war ein richtiges Telefongespräch,
und seinerzeit habe ich damit meinen Hilferuf rausgelassen, weil man GROBSCHNITT als
GROBSCHNITT nicht wiedererkannte. Dieses Märchen und diese ganze Musik, die dann auf
einmal kam, war nicht mehr das, was man unter GROBSCHNITT verstand.
Eroc: Du bist ja noch mehr son Mann der ersten
Stunde bei GROBSCHNITT. Seit 1970 hast Du ja dauernd für unsere Autos gesorgt. Dadurch
hast Du die Entwicklung ja auch ganz anders mitbekommen, als so die ganzen Leute draußen,
die später immer wieder dazugekommen sind und eben die Sachen erst durch die Platte und
über die Bühne kennengelernt hatten.
Falke: Soweit ich mich erinnern kann, war das damals
so, daß "Rockpommels Land" von der Musik her sehr Nahe an GENESIS ging.
Das Empfinden war irgendwie was nachgemachtes, was GROBSCHNITT eigentlich gar nicht nötig
hatte. Ich hatte halt dieses Gefühl. Im Nachhinein hat sich das ja auch bestätigt, daß
das keine nachgemachte Platte war. Das war halt der neue Stil, der auch bis zum Schluß
nicht großartig geändert wurde, bis auf ein paar Ausnahmen. Damals war das mehr ein
Hilferuf meinerseits, als das ich irgendwie eine böse Sache machen wollte.
Eroc: Das hat Dir auch keiner übel genommen. Die
meisten Leute fanden das unheimlich gut, daß Du mal so offen Deine Meinung zu einer Sache
gesagt hast.
Falke: Ich möchte auch immer betonen, daß das meine
Meinung war. Millionen andere haben ja dafür und nicht dagegen geschrieen.
Eroc (jetzt wieder zuhause): Tja, soviel zu Peter
Falke. Er charakterisiert sich ja selbst sehr treffend. Damals hatte ich was gegen YES.
Damals hatte ich bei "Rockpommels Land" was dagegen, daß GROBSCHNITT in
eine Richtung abzudriften drohte, wo ich sie eigentlich nicht hinhaben wollte. Zu dem
Zeitpunkt, als "Rockpommels Land" gemacht wurde (die Idee war vorzugsweise
von Volker Mist, obwohl die englischen Texte dann von mir selber geschrieben worden sind),
hatte ich bereits 36 Langspielplatten von einem gewissen Frank Zappa und fand irgendwie
diese Richtung für mich selbst und für uns annehmbarer und lustiger als dieses biedere
College-musizieren nach Noten und Breaks und Taktteilen mit einem triefsinnigen Text im
Hintergrund und irgendwelchen virtuosen Leistungskapriolen auf den Notenlinien. Ich stand
einfach nicht drauf. YES war für mich Kopf- und Handstandmusik und "Solar
Music" war mehr so das, was von hinten reinkommt und ääh ... Hab ich ja eben schon
mal gesagt.
Eroc im März 2000 in seinem Studio
Krautrock: Was redet ihr am Ende von
"Rockpommels Land"?
Eroc: Hohoho, gute Frage, das weiß ich nicht. Muß
ich mal gucken. Haben wir die Platte überhaupt noch? Ich hab den Scheiß auch schon fünf
Jahre nicht mehr gehört. (Eroc kramt nun die Platte raus und hört sich die besagte
Stelle noch mal an.) Aaach, das meinen die. Jetzt fällt mir das auch wieder ein. Das war
bei Conny Plank im Studio, und damals hatten wir ja noch die Eigenschaft, die heute kaum
noch eine Gruppe hat, den ganzen Krempel live einzuspielen. Son Stück wie
"Rockpommels Land" konnte man halt nur an einem Stück runterspielen. Beim
Schlußakkord mußte ich wie wahnsinnig in die Becken reinhauen, zwei Minuten lang volles
Fortissimo und unser Barrabas, sprich Popo, sprich Hunter, auch so ein bißchen das Unikum
der Gruppe damals, der hat irgendwie am Schluß in die Saiten reingehauen, daß das
richtig so döngel döngel .... (macht den Bass nach) machte. Dabei hatte der sich so
verkrampft, der hing da wie Stellung 37 ½ in den Seilen und war am wirbeln. Die ganze
Kapelle war auf dem letzten Akkord am wirbeln, so daß alles dampfte. Dann war es zuende
und er hing da rum. Er stand irgendwie auf einem Bein und war kurz vorm umkippen und Lupo
oder ich sagte: "Guck mal, der Barrabas, das sieht ja fürchterlich aus, wie der da
steht. Meine Fresse" oder irgendwie so was. Es war so die Erlösung, denn endlich war
dieses Ding im Kasten. Wir hatten es vorher schon drei- oder viermal gespielt und alle
waren aus der Puste vom Spielen und alle waren fertig. Ich habe mich natürlich immer
dafür eingesetzt, daß solche lebendigen Sachen, wo man merkt, daß die Menschen, die
dahinter stehen, auch noch da sind und daß das auch noch auf der Platte zu hören ist.
Krautrock: Hast Du jemals einen Soundtrack geschrieben
oder ein Angebot bekommen einen zu schreiben?
Eroc: Ja, habe ich. Der Film hieß "Moin"
und sollte über Brauchtum und Menschen in Ostfriesland handeln.
Krautrock: Ist auf dem Sampler "Wolkenreise"
irgend etwas besonderes drauf (Remixe oder andere besondere Versionen)?
Eroc: Die Metronome, die ja immer meine Plattenfirma
gewesen ist, hat diesen Sampler ohne mein Wissen zusammengestellt. Sie haben einfach
irgendwelche Eroc-Titel genommen, die ihnen gefallen haben, haben ein Cover gemacht, das
ihnen gefallen hat, haben diese Platte herausgebracht, so wie es ihnen gefallen hat und
haben mir gar nichts davon gesagt. Ich habe das Ding irgendwann mal im Laden stehen sehen
und dachte: "Mich laust der Affe, haste schon wieder ne LP gemacht Erke? Wie
kommt das denn? Mußte wohl besoffen gewesen sein, wa." Ich stand ziemlich dumm da,
vor dem Regal und fragte den Verkäufer: "Hör mal, hat der schon wieder eine
gemacht?", "Ja, der hat schon wieder eine gemacht." Ich habe mir dann meine
eigene LP im Laden gekauft und angehört und war doch erstaunt, wieviel Feingefühl doch
so eine Plattenfirma bei einer Auswahl von Stücken walten lassen kann. Es sind einfach
nur Auskopplungen aus meinen früheren Schandtaten. Nix spezielles.
Krautrock: Was hältst Du von der Musik in den 80ern?
Eroc: Wenn ich dazu was sagen würde, würde das den
Rahmen des Interviews sprengen. Dann wären wir morgen früh noch dran. Außerdem möchte
ich da nicht so was ins tote Mikrophon sagen, sondern auch von der anderen Seite Feedback
und lebendiges Gespräch bekommen.
Krautrock: Wirst Du vielleicht irgendwann mal mit
Eroc-Material auf Tour gehen?
Eroc: Auf Tour gehen? Warum nicht? Ich bin ja
irgendwie immer noch Schlagzeuger. Vielleicht mach ich mal eine Trommel-Solo-Tour. Aber
dann sind wieder die "Wolkenreise"-Fans enttäuscht.
Krautrock: Deine Meinung zu anderen Musikrichtungen:
- Elektronik wie Tangerine Dream, Klaus Schulze, ....
Eroc: Ach ja, "Schwingungen" heißt die
Sendung und sie verschönert uns jeden Donnerstag abend das Abendessen. Mein lieber alter
Freund Winfrid Trenkler, er spielt ja schon seit Jahren diese Art von Musik und das
verfolge ich auch so ein bißchen. Tangerine Dream waren, als sie anfingen, sehr
innovativ. Auch Klaus Schulze, den ich mal persönlich kennenlernte, hat für mein
Empfinden überhaupt am wichtigsten für die Prägung der deutschen Elektronikmusik
beigetragen. Was ich so in letzter Zeit von diesen beiden Namen höre, unter anderem auch
in der Sendung "Schwingungen", hat mich teils enttäuscht, teils überrascht. In
der Sendung, wo Winfrid auch meine neuen Sachen gespielt hat, hat er auch etwas von
Schulze gespielt ("Face of Mae West"). Das fand ich unheimlich gut gemacht. Das
hatte Hand und Fuß. Er hat aber auch was von Tangerine Dream gespielt, und das war für
mich der letzte digitale Abklatsch. Das klang irgendwie fürchterlich nach Plastik und war
langweilig. Das ist jetzt meine persönliche Meinung, aber ich habe schon von mehreren
Seiten gehört, daß sich Tangerine Dream in eine sehr computertechnisierte Richtung
entwickelt hat. Alles weitere, siehe oben. Ich kann nichts damit anfangen. Das lebt für
mich nicht.
Krautrock: - New Progressive Rock wie MARILLION,
TWELFTH NIGHT, IQ ...
Eroc: MARILLION habe ich mal gehört und fand es
ziemlich unzeitgemäß. Aber ich kann mir vorstellen, daß ein ganzer Haufen von heutigen
Kids, die so was wie die frühen GENESIS und eben GROBSCHNITT nicht mitbekommen haben,
ihren Spaß an dieser Musik finden. Warum soll man denen nicht ihr Schaukelpferdchen
lassen.
Krautrock: - Jazzrock wie Al di Meola, John McLaughlin
...
Eroc: .... oder mein lieber Freund Larry Coryell. Tja,
das war so, als ich dem Larry die Bohnen gekocht habe. Also, Larry Coryell hat bei uns im
Studio aufgenommen, vor drei oder vier Jahren, als ich mit dem Reichel gerade die
"Kino" machte. Irgendwann abends wollten die den Larry ins Hotel stecken, da hab
ich gesagt: "Komm Larry, scheiß Hotels hier in Dortmund, komm mit zu mir nach Hause.
Ich habe hier ne tolle Unterkunft, da können wir uns ein bißchen was
erzählen." Da haben wir uns hier hingesetzt und Bohnen gegessen und er erzählte mir
von seinem Kumpel Al di Meola, mit dem er viel zusammenspielt. Ich meinte: "Tut mir
leid, ich habe überhaupt noch nichts von deinen Sachen gehört." Er grapschte sich
meine alte Akustikgitarre und fing an darauf rumzuspielen. Und da habe ich gemerkt, daß
er Gitarre spielen kann. Seitdem finde ich diese Musik wirklich fantastisch.
Krautrock: Ernste Frage: Was würdest Du tun, wenn Du
plötzlich taub würdest?
Eroc: Maler werden!
Krautrock: War der gesprochene Text vom "Am
Ölberg" ein gelungener Gag oder hältst Du tatsächlich nichts von Religion (Das
heißt nicht unbedingt, daß wir religiös sind)?
Eroc: Wir haben das damals mit dem Ölberg mehr so aus
unserem Komplex gegen kirchliche Jugendheime heraus gemacht, in denen wurden wir sehr oft
gelitten und auch nicht gelitten. Es kam immer sehr gut, wenn wir im Martin-Luther-Haus
den Ölberg aufgeführt haben. Da hat der Pfaffe immer das kalte Grausen gekriegt und die
Leute waren am grölen.
Krautrock: Was hältst Du von der heutigen deutschen
Rock-Szene?
Eroc: Die sogenannten etablierten finde ich zum
kotzen, aber der Deutsche an sich braucht ja die Instanz, den Sozialarbeiter der Nation,
Herrn Gröhlemeyer, den gebügelten Outlaw, Herrn Straffrei, die Stammtischcombo mit rosa
Politanstrich, BAP oder auch nur eben den geduldeten Dreckspatz Rio Heiser, zumindest
solange, wie der noch vom Geld singt. So was wie Weichernhausen und Westermüller kann ich
überhaupt nicht ernst nehmen, verglichen an dem, was die deutsche Rockszene früher schon
hervorgebracht hat. Und Matthias Schleim verkörpert für mich den Hanswurst der
frustrierten bundesdeutschen Jungmütterschicht und den Sänger der Münchner Freiheit
möchte ich am liebsten mal persönlich ... Ach komm, lassen wir das. Das erinnert mich
alles fatal an Kafkas Josefine. Klar, es gibt die Neubauten, die Toten Hosen usw.
Das ist zum Teil recht erfrischend, aber irgendwo in anderer Form auch schon dagewesen.
Ich glaube, da ist der Underground wirklich effektiver. Ich habe eine Wuppertaler
Schülerband für einen Sampler aufgenommen, und ich bin überrascht, wie intensiv das
handwerkliche Musizieren heutzutage wieder betrieben wird. Ich hatte gedacht, die kommen
jetzt alle mit nem Atari und sonstigem Midikram an, aber weit gefehlt.
Krautrock: Wie kamst Du als Drummer dazu, Dein erstes
Album hauptsächlich elektronisch mit Synthies aufzunehmen?
Eroc: Ich hatte die Schnauze voll vom Trommeln. Ich
mußte immer nur trommeln und üben bei GROBSCHNITT, immer nur Schlagzeug. Ich konnte es
nicht richtig und mußte jeden Tag acht Stunden üben, so daß ich mal Lust hatte, was
anderes zu machen. Synthesizer und Elektronik war sehr kreativ. Versuch mal eine Melodie
auf einem Schlagzeug zu spielen. Mit Gitarre und Synthesizer ist das einfacher. Es gibt
viele frustrierte Trommler auf der Szene, z. B. Udo Lindenberg oder Phil Collins. Sie alle
waren Trommler und waren damit nicht zufrieden. Der Trommler als Musiker muß sich
irgendwo auch harmonisch äußern und greift deswegen zu anderen Sachen, das hab ich
damals auch gemacht.
Da noch etwas Band frei ist, erzähl ich noch ein paar Sachen, wonach
sehr oft gefragt wird.
1973 kam die erste Eroc-Single heraus. Viele glauben ja, mein erstes
Stück sei "Kleine Eva" von meinem ersten Album von 1975. 1973 veröffentlichte
die Metronome eine Single, die ich zusammen mit, dem noch heute bekannten, Jürgen Triebel
aufgenommen hatte: "Der Meier sitzt in Afrika". Leider war diesem netten
Stückchen damals kein großer Erfolg beschieden. Aber das verwundert nicht, denn wer
kannte 1973 schon GROBSCHNITT oder Karl Rundschnitt alias Eroc. Das war alles noch nicht
soweit, aber ich hatte ja später noch viel Gelegenheit meinen Sinn für Humor bei
GROBSCHNITT auf der Bühne zu realisieren.
Es gab weitere Eroc-Singles, die auch nicht sehr bekannt sind. Zum
Beispiel eine Parodie auf die Neue Deutsche Welle mit dem Titel "Küss mich, ich bin
die Feuerwehr". Auch hier kein übermäßiger Erfolg. Das lag wohl daran, daß die
Rundfunkanstalten den Titel erst gar nicht spielten, weil die darin vorkommende
Feuerwehrsirene irgendwie die Autofahrer irritieren könnte, was auch immer das Argument
dagegen war. Ein anderer Aspekt war, daß der Name Eroc 1984 doch von den meisten mit der
"Wolkenreise" und eben diesem romantischen Instrumentalstil in Verbindung
gebracht wurde. Trotzdem, für den Sammler ist die Single, auch nicht zuletzt wegen des
sehr originellen Covers, eine Liebenswerte Rarität, und mir gefällt es auch immer noch.
Ich befasse mich jetzt seit 28 Jahren mit magnetischer Tonaufzeichnung
und das war auch durch die ganze GROBSCHNITT-Zeit sehr sehr nützlich. Ich konnte viele
Highlights und Ereignisse aufnehmen und diese Sachen sind auch noch lückenlos in meinem
Archiv vorhanden. Da gab es zum Beispiel sehr interessante Radiointerviews. 1975 haben wir
im WDR 2 in der Radiothek abends, zur besten Sendezeit, einfach mal den Sender
abgeschaltet. Das war ein totaler Skandal, aber irgendwie erwartete man so was auch von
GROBSCHNITT. Auch das Ausland war interessiert. Hier ein kleiner Ausschnitt aus einem
Interview aus Hilversum III:
Sprecher: In de hoop, dat veel zaken, iets oprakelen
voor de hele duitse popgelden. GROBSCHNITT is het, het is een typische duitse groep, niet
alleen omdat er ter wereld geen 2de GROBSCHNITT is. Maar ook omdat ze in het duits zingen,
over duitse humor beschikken, en het uitblijven van chauvinisme t.a.v. duitse pop so goed
door hun verwoord wardt. Rockmuziek verwacht je in de laatste plaats van duitsers.
Eroc: Ya dat was op Hilversum III. And also the
American Forces Radio hatte uns zu einem Interview eingeladen.
Sprecher: Well, why is it GROBSCHNITT and not
Feinschnitt or Querschnitt?
Eroc: Ja, das ist wirklich ne harte Frage, aber
die meisten von euch kennen ja die Antwort. Aus dieser Ecke gibt es noch ein paar andere
interessante Sachen. Zum Beispiel ein Interview in Schwyzerdütsch bei Radio Basel, wo
meine "Eroc 3" 1980 vorgestellt wurde oder ein Interview über "Changing
Skies", wo Winfrid Trenkler mich bei der Deutschen Welle interviewt hat, so daß das
ganze über Kurzwelle in sämtlichen Ländern der Erde gehört werden konnte. Doch der
weitaus größte Teil meines Archivs umfaßt Mitschnitte der Gruppe GROBSCHNITT. Von der
Bühne, aus dem Übungsraum, Demos und vieles mehr.
Ich habe immer versucht ein bißchen Humor, ein bißchen Kunst und
etwas Harmonie in die Szene zu bringen. Ich glaube, ich kann auch gar nicht anders
weitermachen. GROBSCHNITT war zwar der größte Meilenstein auf dem Weg meines Schaffens,
und wohin ich geraten werde, weiß ich noch nicht. Irgendwie werdet ihr immer wieder etwas
von mir hören. Ich hoffe es hat euch gefallen. Ich verabschiede mich.