Text aus MailStoneRecords CD-Katalog Nr. 20 aus 1998

 

Wie Eroc das Stereo erfand

Mein erstes Tonband bekam ich 1962, als ich 11 wurde. Es war ein Röhrengerät der Marke Schaub-Lorenz SL 100 mit Viertelspurtechnik. Bereits ein Jahr später kauften mir meine Eltern ein zweites diesen Typs, das ich mir sehnlichst gewünscht hatte. Nun konnte ich endlich nach Herzenslust aufnehmen, kopieren und probieren. In meiner Bude wimmelte es von Radios, Plattenspielern, selbstgebauten Piratensendern und Hochspannungsgeneratoren. Ca. 20 Lautsprecher waren über sämtliche Ecken und Winkel verteilt, und wenn die Oma von nebenan Sontag früh "Kirche im Radio" (damals noch auf Mittelwelle) hören wollte, war es immer ein leichtes, ihr mal eben den neuesten Hit der Beatles dazwischen zu funken. Natürlich gab es Ärger. Eine Lichtbogenanlage zum Schmelzen von Eisenerz im Wohnzimmer oder 180 Meter Draht kreuz und quer auf dem Wäscheboden verspannt, stießen auf wenig Gegenliebe. Richtig schlimm wurde es aber, als ich mit dem Schlagzeugspiel anfing. Im Wohnzimmer, mit meinem Freund "Eunie" Biermann an der Klarinette, und natürlich bei offenem Fenster.

Es gab aber auch viel Spaß und Entwicklungsarbeit. Irgendwo hatte ich "Stereo" gehört, eine Vorführung in einem Radiogeschäft. "Die machen das mit 2 Kanälen", erklärte man mir. Das ließ mich nicht los: 2 Tonbandgeräte hatte ich. Irgendwie mußte das klappen. Ich bastelte so lange herum, bis es klappte: die beiden Geräte wurden nebeneinander gestellt und an jedes ein Mikro angeschlossen. Dann wurde ein Band eingelegt, das durch beide Geräte lief. So nahm ich auf dem ersten Gerät den linken Stereokanal und auf dem zweiten den rechten Stereokanal auf.

Nun hatte ich Stereo, aber mit einem Nachteil: Um es abhören zu können, mußte man die beiden Tonbandgeräte wieder genauso nebeneinander stellen, wie bei der Aufnahme .... Und – was ich damals nicht bedachte – das würde auch in 100 Jahren noch so sein müssen, denn zwischen den beiden Kanälen entstand ein Zeitversatz, da das Signal zuerst auf dem ersten Gerät und etwas später auf dem zweiten aufgenommen wurde. Und dieser Zeitversatz hing exakt von den Abmessungen der Geräte ab. Also, bis in alle Ewigkeit "SL-100" bereithalten!

Natürlich gingen die beiden Bandgeräte irgendwann den Gang allen Weltlichen. Und 1970 kam dann meine erste A-77, technisch viel besser. Doch meine alten "Stereo"-Bänder konnte ich damit nicht mehr hören und somit auch nicht viele schöne Aufnahmen, z. B. von "The Crew", meiner Band vor "Grobschnitt".

Jetzt, 30 Jahre später, gibt es endlich die Möglichkeit, diese Tapes wieder hörbar zu machen! Die digitale Technik ermöglicht, den Zeitversatz zwischen den beiden Kanälen auszugleichen und die Titel zu retten. "Born to be wild" und auch "My little girl" (Crew 1968) beweisen: ich hatte damals wirklich das Stereo erfunden ....

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