Interview mit Hunter
 

Während der zweiten Grobschnitt-Videonacht in Betzdorf am 27.03.1999 hatte ich die Möglichkeit, Hunter (alias Wolfgang Jäger) einige Fragen zu übergeben, die er mir dann auf dem Postwege beantwortete.

Stephan: 

Du hattest während der Grobschnitt-Ära mehrere Pseudonyme wie Pepe, Popo und Hunter. Hunter ist ja die englische Übersetzung Deines Nachnamens, aber welche Bedeutung bzw. welchen Hintergrund hatten die anderen?

Hunter: 

Pepe war der Vorname von Popo. Popo kam deswegen zustande, weil die Namen meiner damaligen Kollegen wie Lupo, Moffo, Wildo auch alle mit O endeten. Außerdem konnten sie meinen eigenen Namen – ich werde schon seit meiner Schulzeit Hunter genannt – nicht akzeptieren. Sie mußten mich irgendwie in ihre Maschinerie mit einbauen, also brauchte ich einen anderen Namen. Grobschnitt ist nun mal so verrückt gewesen und ist es auch heute noch. Und irgendwann habe ich mich bei der Arbeit im Proberaum öfter mal wo gekratzt und so ist der Name Popo entstanden.

Stephan: 

Du warst damals Mitglied bei Grobschnitt als sie noch "Artrock" gespielt haben. Was für eine Art von Musik hast Du vor Deinem Eintritt bei Grobschnitt gemacht?

Hunter: 

Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Musik mit Worten zu beschreiben ist immer schon sehr schwierig gewesen. Artrock, was ist das? Wir haben uns vor Grobschnitt – also ich mit meinen ehemaligen Kollegen –, schon Mühe gegeben, professionell zu arbeiten. Wir waren damals so ziemlich alle arbeitslos und haben die Zeit genutzt um uns an unseren Instrumenten zu festigen. Musikrichtung? Ja Du mußt Dir das so vorstellen. Der eine hörte gerne Jimi Herndrix, der eine hörte gerne Jethro Tull und der andere hörte was weiß ich was. Das wurde alles in einen Topf geworfen, weil ja jeder nur das spielen konnte, was er gerne mochte. Daraus ist dann eine Band entstanden, die Styx hieß. Was für eine Musikrichtung das war, weiß ich nicht. Drei Jahre lang haben wir zusammen gearbeitet und sind in dieser Zeit zweimal live aufgetreten. Beim zweiten Auftritt haben sie mich dann direkt von der Bühne weggekauft (Lupo), weil Grobschnitt einen Bassisten suchte, da der Baer ausgestiegen war bzw. aussteigen wollte.

Apropos: Während der Zeit bei Styx habe ich erstmals Eroc kennengelernt. Er hat uns in einem Gelsenkirchener Studio aufgenommen. Zwei Stücke, die wir gespielt haben, hat er zum ersten Mal in Mehrspurtechnik – ich glaub 8 Spuren waren das - aufgenommen. War das eine Aufregung. Eroc hat damals dort gearbeitet und war gleichzeitig Schlagzeuger bei Grobschnitt. Aber jetzt kommt der Hammer!!! Weihnachten 1997 bekomme ich Post. Ich dachte ich trau meinen Augen nicht. Als Eroc sein Wohnzimmer bzw. sein Büro aufräumte, hat er die alten Bänder gefunden. Das Masterband hat er noch mal neu gemastert und es ist echt geil geworden. Er hat mir aus diesem Material, was er damals aufgenommen hat, eine frisch gebrannte CD zugeschickt. Ich bin aus allen Socken gefallen. Als ich mir das dann Zuhause angehört habe, hatte ich das Gefühl, als wenn es gestern gewesen wäre. Ziemlich chaotisch die Musik, aber trotzdem vom Herzen. Ich hab dann sofort Abzüge davon gemacht und meinen damaligen Kollegen davon auch eine zu Weihnachten geschenkt. Und die waren genauso gerührt wie ich.

Stephan: 

Welchen Anteil hattest Du an den Kompositionen?

Hunter: 

Im Prinzip zu einem Fünftel. Obwohl, Mist hat eigentlich einiges mehr gemacht.

Stephan: 

Wurde bei Grobschnitt genug Spielraum für Improvisation bei den Liveauftritten gelassen? Ich denke da vor allem an das Stück "Solar Music".

Hunter: 

"Solar Music", das war mehr oder weniger eine Pseudoimprovisation. Weil das Stück nämlich mit einer Stunde Musik, oder wieviel das war, im Prinzip voll festgelegt war. Was da an Improvisation und Spielraum zur Verfügung stand, das war an sich minimal. Man konnte zwar an einigen Parts noch was machen, aber so richtig improvisiert war das an sich nicht.

Stephan: 

Als Du 1980 die Band verlassen hast, stand da sofort das Angebot bei Extrabreit einzusteigen?

Hunter: 

Als die Band mich verlassen hatte, sagen wir mal so, da stand das Angebot, bei Extrabreit einzusteigen noch nicht sofort. Aber wenn du in Hagen bist, und du hast bei Grobschnitt gespielt, dann bist du natürlich ein gefragter Mann. Und als sich das rumgesprochen hat, daß ich gerade zwei Hände frei hatte, habe ich erst mal ein halbes Jahr mit Nena zusammengearbeitet. Sie war damals mit der Band Stripes unterwegs.

Mit Hartwig Masuch (heute Chef bei BMG) und Frank Becking (war auch schon bei Styx dabei, hat heute eine Band namens DAN – von ihnen wird zur Zeit ein Stück ständig auf MTV gezeigt) haben wir die Band Blue Boys gegründet. In einer Kneipe hing ein Plakat. Es wurden 5.000 DM für den Sieger ausgeschrieben. Zufälliger Weise standen da fünf Musiker um einen Tisch, und da haben wir uns kurzer Hand gesagt: "Okay, die 5.000 wollen wir uns abholen". Wir stellten dann innerhalb von einer Woche ein Programm aus Oldies zusammen, bestehend aus Songs der Lords, über Beatles bis hin zu den Rolling Stones. Aber wir haben leider nicht gewonnen. Wir haben, glaub ich, den sechsten Platz gemacht. Hagen ist ja eine Kleinstadt .... Ich meine, ich hatte schon immer ein Auge auf Extrabreit geschielt, weil die mir so richtig frisch von der Seele kamen. Bei Grobschnitt war das ja immer ein bißchen sehr streng. Auch die Arbeitsweise war sehr streng. Wenn du nicht pünktlich kamst, kriegtest du sofort eine vom Chef auf den Deckel, weißt Du. Gott Otto Kühn sage ich dazu nur. Und als sich bei Extrabreit der Job anbot, war das eine richtige Erleichterung für mich. Ich konnte wieder so richtig in die Seiten hauen wie ich wollte, egal ob es nun einen halben Ton daneben war oder nicht. Wir haben uns auch sofort auf Anhieb verstanden.

Stephan: 

Grobschnitt war ja nie die Band mit den großen Charterfolgen. Würdest Du aufgrund des musikalischen Erfolges und aus finanzieller Sicht den damaligen Wechsel zu Extrabreit als Glücksfall bezeichnen?

Hunter: 

Ich spielte so ca. sechs, sieben Jahre bei Grobschnitt und hatte viel Spaß mit den Kollegen. Aber es war schon ganz schön streßig, wie ich vorher schon sagte. Ich hatte dann bei Extrabreit so eine Art Freischwimmer, da konnte ich draufhauen, da wurde nicht alles so streng genommen. Die Musikrichtung hatte sich sowieso geändert, New Wave war am Start, die ersten Punkgruppen spielten. Glücksfall? Nun ja, als ich bei Extrabreit eingestiegen bin, waren sie noch nicht gechartet. Ich hab da wohl schon reichlich dran mitgearbeitet, damit’s gechartet hat. Ein Glücksfall insofern, die Neue Deutsche Welle schwappte und die hat uns dann, weil wir gut vorbereitet waren, mitgenommen. Insofern spielt ein bißchen Glück doch eine gewisse Rolle.

Stephan: 

Bestand damals eine Rivalität zwischen den beiden Hagener Bands Grobschnitt und Extrabreit? Wenn ja, wie bist Du damit umgegangen?

Hunter: 

Nein, warum sollte eine Rivalität zwischen den beiden Bands sein? Es waren sowieso zwei verschiedene Lager. Na gut, der eine hat nach dem anderen hin geschielt. Aber als ich damals von Grobschnitt nach Extrabreit kam und die erste Aufnahme gemacht hab, da waren sie natürlich stolz darauf, einen von Grobschnitt dabei zu haben. Auf der anderen Seite traf ich Kollegen von Grobschnitt in einer Pommesbude, und die sagten: "Was hab ich gehört, Du spielst jetzt bei den Oberchaoten?" Und der "Oberchaot" Stefan Kleinkrieg stand direkt neben mir, den kannte überhaupt keiner zu dem Zeitpunkt. Aber so Rivalität, würde ich sagen, herrschte zwischen den Bands nicht. Natürlich war es hinterher für mich einfacher, als wir gechartet hatten, selbstbewußt zu den Kollegen zurück zu gehen. Ich war schon irgendwie stolz darauf, etwas mit den Extrabreiten erreicht zu haben.

Stephan: 

Wenn Du an die Liveauftritte der beiden Bands (Grobschnitt und Extrabreit) denkst, wo lag zwischen beiden der Unterschied?

Hunter: 

Als ich mir jetzt das Grobschnitt-Video auf der zweiten Betzdorfer Grobschnitt-Nacht wieder ansah, war ich erstaunt, wie wir solche Arrangements spielten ohne auf ein Blatt Papier zu gucken, uns nicht verspielt haben und die Parts einhalten konnten. Das war sehr diszipliniert bei Grobschnitt, während das bei Extrabreit, boah, Mann ey, was ist schon ein Halbton unter Kollegen.

Stephan: 

Was hältst Du von den remasterten alten Alben und der Grobschnitt Story Vol. 1 und Vol. 2?

Hunter: 

Ich fand es klasse, daß Eroc die Grobschnitt Story’s rausgebracht hat. Ich hab sie mir genüßlich, ganz alleine bei einem Glas Wein reingezogen. Ich hab mich gefreut, daß es so was überhaupt gibt, daß Eroc so was macht und ... jetzt fang ich schon wieder an zu heulen (lächelt). Aber ich war schon ganz schön gerührt, als ich das aufgelegt hatte.

Stephan: 

Kannst Du eigentlich nachvollziehen, das es einige Fans gibt, die sich heute noch die alten Scheiben anhören?

Hunter: 

Natürlich kann ich das nachvollziehen. Ich bin eigentlich kein Fan, doch bin ich doch. Ich hör mir heute auch noch alte Jethro Tull-Schallplatten an. Ganz besonders überrascht war ich, als ich bei der zweiten Betzdorfer Grobschnitt-Nacht sah, daß zur Musik des Videos, das auf der ca. fünf Quadratmeter großen Leinwand lief, einige Leute die ganze Zeit fast wie in Trance durchgetanzt haben. Also nachvollziehen, insofern, weil ich auch irgendwo Fan bin – Jethro Tull-mäßig – ich hör mir heute die alten Scheiben auch noch an, sehr gerne sogar. Insofern kann ich es ganz gut nachvollziehen.

Stephan: 

Wie sah Dein weiterer musikalischer Werdegang nach dem Ausstieg bei Extrabreit im Jahr 1990 aus?

Hunter: 

Dazu muß ich sagen, das war 1990 erst mal kein Ausstieg, sondern ein Einstieg. Ich hatte nämlich vorher schon mit sehr guten, begabten Musikern unter dem Namen Heart Of The Hunter bei mir im Studio gearbeitet. Einstieg insofern bei Extrabreit, weil wir uns zusammengesetzt hatten und dachten: "Wir müssen mal wieder ne Mark machen", was uns auch gelungen ist. Mit dem Bewußtsein gute Musiker im Rücken zu haben bin ich dann 1990 wieder ausgestiegen. Ich gründete eine Gruppe namens niewea mit dem astreinen Sänger Andi Schade. Er macht heute Musik mit einer Band namens "Firma Angst und Bange". Sie ist auch erfolgreich, ja, im kleinen Rahmen erfolgreich. Wir haben mit dem Projekt ca. 3 – 4 Jahre hart dran gearbeitet. Wir saßen jeden Tag im Studio und produzierten auch eine gute CD. Wir schielten damals auf einen Plattenvertrag, der leider nicht zustande kam. Daher kommt übrigens der Name niewea. Das ist eine Anspielung auf die Plattenfirma WEA. Sie war die erste Plattenfirma, die unsere CD abgelehnt hatte. Aus diesem Grund haben wir den Namen Heart Of The Hunter in niewea geändert. Nachdem wir vier Jahre daran arbeiteten, ohne daß wir einen Plattenvertrag bekamen, hatten wir keine Lust mehr weiterzumachen. Wir wollten mit der Formation nicht unbedingt von Jugendzentrum zu Jugendzentrum tingeln. Nunja, viel Arbeit und wenig Geld.

Stephan: 

Du warst erst kürzlich mit einer Band namens Los Invalidos live auf der Bühne. Welche Art von Musik macht Ihr?

Hunter: 

Los Invalidos, das sind alles Freunde von mir. Die Band wurde gegründet, um die Finger nicht ganz einschlafen zu lassen und um noch ein wenig musikalisch tätig zu sein. Wenn man einmal Musik gemacht hat, dann macht man immer Musik. Es macht mir auch Spaß mit den Freunden zu üben, zu spielen und sogar Live aufzutreten.

Zur Art der Musik: Nun das ist wieder so eine Sache. Ich hab letztens in der Zeitung German Rock News gelesen, daß wir Partyrock machen. Das finde ich an sich zutreffend. Ich würde sagen, wir machen Partyrock.

Stephan: 

Kann man die Band als Dein derzeitiges Projekt bezeichnen, oder bist Du später zur Band hinzugestossen?

Hunter: 

Das ist mein derzeitiges Projekt, klar. Wie ich auch gerade schon gesagt habe, bin ich nicht später zu der Band gestoßen, ich bin derjenige, der das am Laufen hält. Ich muß stündlich telefonieren um Probetage zu organisieren. Es läuft schon alles über mich.

Stephan: 

Hast Du noch Kontakt zu den alten Weggefährten?

Hunter: 

Ja, ich habe Kontakt zu alten Weggefährten. Eroc, der mischt mir bzw. mastert mir meine selbst produzierten CD’s. Er macht die mir so richtig fertig, was er auch gut macht. Insofern habe ich zu ihm den meisten Kontakt. Wenn ich Willi Wildschwein sehe, freue ich mich. Wir nehmen uns in den Arm. Wenn wir zum Beispiel in Hagen auf dem Müll (Rock auf dem Müll) spielen, das ist jedes Jahr so ein Festival hier in Hagen, dann kommt Willi mich besuchen und guckt sich das an, findet das klasse, nimmt mich in den Arm und wir trinken einen zusammen usw. Ansonsten telefoniere ich mit Mist ab und zu mal, aber doch relativ selten. Sonst habe ich weniger Kontakt. Man hat sich da schon aus den Augen verloren, es ist ja auch eine lange Zeit inzwischen vergangen.

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meinen Antworten dienen.

Stephan: 

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Es hat mir sehr viel Spaß bereitet sie abzuhören und zu schreiben.

April 1999

Hunter