Titel:

Erscheinungsjahr:

 

Razzia

1982

Bestellnr.:
LP: Brain 60510
CD: Brain 843077-2
MC: Braim 0660.510

Seite 1


Wir wollen sterben


3:36

      Seite 2


Der alte Freund


4:19
Remscheid 4:28 Schweine im Weltall 4:05
Razzia 8:30 Poona-Express 5:25
Wir wollen leben 4:10
 

Besetzung:

Eroc
(Joachim Ehrig)
Schlagzeug, elektronische Effekte
Lupo
(Gerd-Otto Kühn)
Sologitarre, akustische Gitarre
Milla Kapolke Baß, akustische Gitarre
Toni Moff Mollo
(Rainer Loskand)
Gesang, Perkussion
Wildschwein
(Stefan Danielak)
Gesang,   Gitarre
 


Cover der Musikkassette
 

Plattenkritik aus Musikexpress Juni 1982 (Heft 6/82)

Grobschnitt Razzia Metronome 0060.510

Es gibt Platten, die überflüssig sind. Und unter denen gibt’s einige, die noch viel flüssiger sind – so flüssig, daß jede Abtastnadel beim Abspielen ins Schwitzen kommt. Grobschnitt gehört in diese Kategorie. Musikalisch gibt RAZZIA rein gar nichts her: viel uninspiriertes Synthesizer-Gezische + -Gezirpe – Grobschnitt goes Neue Deutsche Welle – und damit die tumbe Headbanger-Anhängerschaft nicht enttäuscht ist, hat man manche Stücke mit stumpfen, einfallslosen Heavy-Metal-Riffs durchsetzt. Laut beigelegtem Presse-Info sollen die Texte sarkastisch bis witzig sein. Ach was! Ich gehe zum Lachen bestimmt nicht in den Keller, und dennoch habe ich leider beim Anhören und Mitlesen keine Miene verziehen können. Doch wen wundert’s. Zitat Presse-Info: "Es sei denn, er kennt Grobschnitt. Denen traut man inzwischen alles zu." So isses!

*
th

Bewertungen
****** = phänomenal
***** = sehr gut
**** =gut
*** = nicht übel
** = lau
* = mies


Plattenkritik aus Musikertreff Ausgabe Mai 1982

GROBSCHNITT
Razzia
(Metronome)

Schon längst ist Redaktionsschluß, und ich muß noch mal in die Tasten hauen, diesmal für Grobschnitts neue "Razzia". Ja, was kann man dazu sagen. Der typische Grobschnitt-Sound ist mit einigen Veränderungen beibehalten worden, insgesamt jedoch rockiger geworden und durch die Trennung von Keyboarder Mist - wie ich meine - stark verbessert. Keyboardlastige Passagen fallen ganz weg, und der bekannte Space-Sound fehlt. Die von Eroc eingespielten Keyboards sind sehr spärlich ein- - dafür aber sehr ideenreich -eingesetzt worden, und zwar mit Sounds, die man eher von neueren Bands als von ihm erwarten würde. Doch auch an Grobschnitt sind die Entwicklungen der letzten Jahre nicht spurlos vorbeigegangen, und was sich auf "Illegal" schon andeutete, setzt sich auf der Razzia fort. "Razzia" als Song ist natürlich ein sehr böses Stück, aber Milla kann von diesen beliebten Polizeiaktionen bestimmt ein Liedchen singen. - Die alte Klamaukkiste darf natürlich auch diesmal nicht fehlen, und "Schweine im Weltall" ist in dieser Hinsicht verdammt gelungen. "Razzia" wird für Grobschnitt-Fans ein Muß sein und auch bestimmt einige neue Hörer ansprechen. Gespannt darf man auf die Umsetzung dieser Stücke auf die Bühne warten. U.B.


Plattenkritik aus BRAVO 1982

Grobschnitt
Razzia

Weder die Band noch die Platte ist ganz brandneu und taufrisch. Grobschnitt mischten schon 1970 mit, als deutsche Rockmusik noch allgemein als "Krautrock" abqualifiziert wurde. Die Jungs aus Hagen, bei denen zeitweise Extrabreit-Hunter spielte, haben im Gegensatz zu ihren umwerfenden Live-Shows auf Platte nicht immer leicht zu konsumierende Musik abgeliefert. Aber mit "Razzia" liegen sie richtig. Songs wie "Razzia", "Remscheid" und "Poona-Express" haben nicht nur witzige Texte, sondern gehen auch toll los.


Aus dem GOVI-Katalog 6/82

Grobschnitt kann auf eine ganze Reihe von LP's und einen ansehnlichen Stapel LP's (Anmerkung: stand wirklich so da) zurücksehen.Wer deshalb meint, die Band wäre für keine Überraschung mehr gut, irrt, und zwar gewaltig! So spritzig-frisch, einfallsreich und witzig würde so manche "Neue-Welle-Band" gerne sein. "Razzia" ist mit Abstand das Größte, was Grobschnitt bisher gemacht hat. Super, die Songs "Der alte Freund" (Seitenhieb auf "Ideal") oder auch "Schweine im Weltall". Stark die dröhnenden Gitarren, das stampfende Schlagzeug (das grenzt teilweise schon an Heavy Metal) und der glasklare Sound. Die Platte muss man gehört haben !!


Text aus der LP Razzia

Der abgeschlossene Roman

Der Tag erwacht, es wird hell über der Rollbahn. Punkbeamter Krumm hat sich radiziert und bindet sich seinen extrabreiten Schlips um. Im alten Kirchturm gegenüber schlägt der Pfarrer dem Küster vor, das Uhrwerk demnächst überholen zu lassen, es hat Beschwerden gegeben wegen der härteren Gangart. Irgendwo plärrt ein Kind. Der Milchwagen rattert beflissen um die Ecke.

Auch in unserem kleinen illegallischen Dorf wird’s langsam lebendig. Dumpfes Gemurmel macht sich breit: "Uaaah, schon wieder 6 Uhr – aufstehen, uaaah!" Die Morgenluft riecht nach Gestank, jemand hat gestern abend vergessen, das Feuer richtig auszumachen. Drüben steht die MACHT und macht Morgenandacht. Jemand lacht.

Auf einer kleinen Lichtung sitzen Willi und Moff Mollo und frühstücken schon. Die Nacht war naß und man will schließlich trinken, wie man wirklich Durst! Moff quält ‘ne Fleischwurst und Willi versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen. Jetzt kommt auch schon die Sonne raus und alles sieht ganz anders aus. Der Morgennebel schwindet und das Theater fängt an. Die Macht marschiert, Moff rülpst und guckt rauf zum Weltall, wo Raumkreuzer ENTERSCHWEIN zur Abwechslung eine kleine RUNDE dreht. Pestet schon schön, der Vogel, bald reicht’s! Plötzlich bricht ein Bulle von rechts nach links und schmeißt dabei die Thermoskanne um. "Tschuldigung, meine Herren, das gehört dazu, würde zwar gern schweben, aber der Boden der Tatsachen – na, Sie kennen det ja aus’m Fernsehen." Moff rülpst erneut und wirft ihm die angebissenen Fleischwurst hinterher. Der Bulle wehrt geschickt mit seinem durchsichtigen Regenschirm ab und lacht: "Alles Polypropypuppipui", grunzt Moff Mollo, und das muß ER nun wirklich am besten wissen, immerhin war er jahrelang Kunstkopfschüssler bei BARBARIAS in der Bittermark ...

"Guck mal, die Musköppe sind auch da", ruft Willi. Und richtig: Lupo, Milla Pokalke und Geheimrat Günstig stolpern im Unterholz. "Sie war ‘ne Ma, reichlich ausgebufft, ihre Höse war zu weit", gröhlt Pokalke. "Laß das", mahnt Lupo, "sonst krieg ich wieder meinen Krampf am Darm." – "Besser arm an Darm als Arm ab", kommentiert Wwilli in seinem trockenem Charme. "Besser reich und gesund als arm und krank", sagt Pokalke. "Quatsch, sterben ist der schönste Tod, sprach die Spinne und stieg vom Schlauch auf dem Hahn sein Bauch", lacht Geheimrat Günstig und schlägt einen Wurzelbaum. "Laß das", mahnt Lupo, "wo sollen denn die Weltschweine wohnen, wenn die Wälder abgebolzt sind?" – "auf Matrazzia ist gut RAZZIA." – "Bei Deinen Sprüchen pennt selbst der Wecker ein", spöttelt Pokalke. "Und Diene Redewendungen stehen sich die Beine in den Bauch", greint Moff Mollo zurück, "kommt lieber mit rüber zum ESSEN."

In der Tat: Der Wald ist erfüllt mit dem Zeichen des Bieres, denn der Metzger von ROCKER‘s Fleischpalast hat seine Bude eröffnet: Springschwein frisch aus'’ Revier, garantiert keine anrücheligen DEUTSCHEN Würstchen, ausschließlich Importe jeder Qualität. Da staunt der Protz und der Rabe wundert sich! Inzwischen marschiert die Macht von X-Quadrat nach DIN A 4 unter geschickter Umgähnung eines Wassergrabens, in dem sich die möblierte Eintopfbrückenleitung der Rollmopsgegner vergraben hat, um endlich sicher vor dem ausgeflippten Pfaffen zu sein, der nun schon seit zwei Stunden nach seiner Frau sucht und alle, die ihm begegnen, mit den Worten segnet: Blickt Euch nicht um, der Butzemann geht um, Schweine aller Länder VERUNREINIGT Euch!

Plötzlich entdeckt Milla Pokalke (inzwischen EUROPA-POKALKE geworden) im Gemenge den rostigen DAF, in dem der alte Freund aus REMSCHEID sitzt. "He, Mann, wo kommst Du denn gewesen? Hätte Dich bald nich erkannt mit Deim Streichholzschnitt. Was machste denn jetzt so, hasse ma’n Pickel BLAUEN auf Tasche?" – "Ach", antwortet der "hör doch auf mit dem MIST, die Zeiten sind vorbei, nur Lutscher, no Future!" – "Und jetzt sthste auf Berlin?" – "Nee, auf Bremen, neue Welle neue Pelle, Veränderung bringt LEDER, willste’n Brot mit Leberwurst?" – "Gummijacke, große Klappe, alles Mutanten", komponiert Willi in seiner trockenen Art. "Psychofanten", verbessert der Geheimschrat, "und zwar aus TROTTELFINGEN".

Richtig, so ist es! Und prompt stürmen 20 Männer schwerbewaffnet vor und zurück und wieder vor und wieder zurück und noch mal vor und noch mal zurück. "Ist das alles?" fragt Moff Mollo. "Tja, wir hätten da noch das SCHWARZE DING", grinst Vater Staat, "unser absoluter Joker, aber Sie können ja auch an die Hauswand, wenn Sie mal müssen, das Gewässer ist sowieso schon genug verseucht."

Derwall ereignet sich etwas Gans, etwas Andreas:

"Laß doch endlich Schweinchen Schlau raus", sagt der kleine graue Wolf zu Peter Kraus-Maffei. "DU", entgegnet der stieren Blickes, "ich will LEBER", und donnert mit seinem Panzersprühwagen in Bloedmannsheide mit 80 KARAT über die 7. Brücke, daß der Treppenflur erzittert. Zu spät! In der Frittenhütte zu KOTZHÖVEL hängt schon das Schild: Backwarn und kalter Kaffee erst ab 18. "Scheißzeit", flucht er, denn er weiß, bis HÄSSLICHHAUSEN ist es weit. "Leck doch an meinem Eisbein", flüstert ein Mädchen in organischen Gewändern, "der Fisch braucht frisches Wasser, der Perser braucht PERSIL, ich weiß genau, was DU brauchst, Du alter EUROPA-AAPOKALYPSO!" – "Bist Du aber ‘ne fette Tantra", schlonzt er zurück, "kommste aus’m Bohner-Express?" – "Nein", haucht sie bebend, "ich telefonaniere oft im Waschraum, machen wir’s gleich hier im MANTA oder später mit’m schwarzen Panzer?"

"Schalt ma aufet Zweite, Dolby", sagt Lupo zu seiner Teekanne und schlürft, "was soll das eigentlich, kann ich nich drüber lachen!" Richtig lieber Leser, genauso ist es. So mancher fragt sich schon lange: WAS SOLL DAS eigentlich? – Und diese Frage ist tatsächlich aus der Luft gegriffen, denn unsere Luft hat den großen Vorteil, daß man sieht, was man atmet ...

Von der Aktualität her verdient diese Frage also den üblichen Stern im POONA-EXPRESS, aber sie wirft auch sofort die nächste Frage auf: Hat Erke das Östrogorn versteckt, oder war’s Käpt’n NUSS? Die Antwort darauf könnte vielleicht endlich mal’n zweiten Stern bringen, aber das ist egal. Ein Konzept-Album ist es ohnehin, und wem das nicht heimleuchtet, der halte es mit den Worten des Zauberers:

"Aus einem verzagten Arsch kommt selten ein glücklicher Furz."

GROBSCHNITT – April April 1982