Artikel der "MMN" zur "Illegal-Tour" aus dem Jahr 1981

 

Grobschnitt ist groovy

Das muß man gesehen haben

Von Dietmar Wagner

Grobschnitt!? --- DAF, Abwärts, Ideal etc. Spätestens seit Anfang der ‚80 weiß ich, was ich brauche; XTC, Charge, Simple Minds, Yello ... Name egal, wichtig ist der "Cooole drive". Bizarre Schwingungen und Hauptsache: neu, neu, neu. Und dann ruft man mich an und sagt, ich soll was über Grobschnitt schreiben. Ich? Über deutschen Schlabber-Rock? "Na gut", denk ich mir, "die können was erleben."

Grobschnitt --- ich bin ca. eine halbe Stunde vor Beginn in der Halle, die sich langsam füllt und füllt, nur ganz anders als sonst: kaum Lederjacken, keine kahl geschorenen Köpfe, keine "gabba"-Rufe und: Stühle. Mein Gefühl wird besser und besser. Ich erinnere mich an früher. Gute Rockstimmung, fröhliche Leute, Dpoe-Dampf aus allen Ecken.Dazu kommt die gemütliche Atmosphäre der Offenbacher Stadthalle, die nun wahrhaft mehr an ein überdimensionales Bierzelt erinnert, als an eine Rock-Halle. So gut. Ich sitz da also und döse so vor mich hin, da geht’s auf einmal los und das 25 Min. vor Beginn. "Liebe Jungen. Liebe Mädchen, ihr hört jetzt das Grobschnitt-Vorprogramm". – eine Gagshow (per Band), die das Warten zum Vergnügen macht. Und dann um Punkt acht, ging’s los; fast 15 Min. "Illegal", der Headliner der neuen LP, aus der noch einige Stücke folgen sollten. Bevor es mit dem "Oldie" Vater Schmidt weiterging, stellte sich Grobschnitt, die seit 16 Monaten nicht mehr auf Tour waren, erst einmal vor. Die kleine Ansprache von Lupo war so erfrischend freundlich (vor allem im Gegensatz zu o. g. Bands), so nett persönlich, daß ich den Eindruck gewann, ein paar alte Freunde ständen vor mir auf der Bühne. Na, und wie beurteilt man schon die Musik alter Freunde? An dieser Stelle wird auch die neue Bassbesetzung der Grobschnitt bekannt gegeben. Neben Lupo, Wildschwein, Eroc und Mist nun am Bass: Milla Kapolke. Dieser Typ sieht nicht nur freundlich aus und benimmt sich so, er spielt auch einen duften Bass und paßt, wie ich meine, sehr gut rein in den Haufen.

Nach der dritten Nummer "Simple Dimple" folgte erst einmal eine theatralische Auflockerung: "Keiner wird gewinnen" das Kandidaten-Quiz mit dem beliebten Show-Master "Balli-Balli" und "Dr. Salzmann", der Starzahnarzt, bei dem kein Zahn ungeschoren davonkommt. Selten so gelacht.

In den darauffolgenden drei Accustic Songs bewiesen Grobschnitt, daß C, S, N & Y nicht einzigartig sind/waren. Dazu gibt es verbal nur eins zu bemerken: himmlische Harmonie. Mit dem anschließenden "Merry Green" hatten die Jungs einen guten Übergang zum weiteren Programm. Bei dem Drogen-Song (der Name sagt’s) fiel mir zum ersten Mal die dufte Lightshow auf, für die diese Band, neben der superspaßigen Bühnenshow, ja bekannt ist. Die Bühne wurde in tiefes Grün getaucht, das zwischendurch langsam in die schönsten Spektral-Effekte zerbrach, um dann und wann wieder in betäubender Fülle zu erscheinen.

Verantwortlich für das Lichtspektakel, das sich wirklich durchweg als ein Vergnügen bewies, war kein geringerer als Toni Moff-Mollo, der berühmte Beleuchtungsmeister der Truppe, der seit neuestem auch anderweitig in Erscheinung tritt. Dann nämlich, wenn Zeremonienmeister Balli Balli ihn vertritt, stellt der quirlige kleine Kerl seine brillante Stimme zur Verfügung. Oder er hüpft als Titelfigur der jeweiligen Geschichte über die Bühne, wie zum Beispiel in "Rockpommels Land", dem letzten Stück vor der Pause.

Nach der Action-Viertelstunde auf dem Klo bzw. am Bierstand, ging es weiter mit knallhartem Hard-Rock unter dem Motto: "auch das kann Grobschnitt".

Als dann die nächste Nummer angekündigt wird und Eroc von einem Stück spricht, das Grobschnitt seit 1969 begleitet, weiß jeder Bescheid und beginnt zu toben, ob 15 oder 35, diesen Song kennt jeder. Wieder wurde gebastelt, umgestellt, verlängert und erneuert – so auch der Titel – und aus "Solar Music" ist "Powerplay" geworden. "Nicht sehr einfallsreich", denkt man zunächst, doch was dann in den nächsten 35 Minuten ablief war einfach Spitzenklasse. Hier wurde gezeigt, was drinsteckt, Können unter Beweis gestellt; durchzogen von fantastischen Licht- und Nebeleffekten, die zeitweise die ganze Bühne verschwinden ließen, wurde das Ganze so etwas wie unvergeßlich.

Nach insgesamt 3 ¼ Std. (14 Nummern) wurde das Mammut-Programm mit einem ebenso sympathischen Statement beendet, wie es begonnen hatte. Die Mannschaft wurde nach alter Jazzer-Manier reihum mit ein paar Takten vorgestellt, bzw. verabschiedet. An dieser Stelle bekam auch "Geheimrat Günstig aus Wien", der wie immer für den Sound verantwortlich war, sein – selbstkomponiertes 5sekündiges – Solo auf der selbst entwickelten Fanfarentrompete (bestehend aus Schwingschlauch und Wassertrichter).

Abgang. Fast 10minütiges Toben.

Zugabe.

Alles was Beine hatte, stand nun auf den Stühlen und rockte mit, als es noch einmal erklang: Illegal, Illegal ... Scheißegal. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, das Illegal-Programm mit anderen, derzeit bekannten Live-Shows zu vergleichen. Resultat: "The Wall" ist aufwendiger, dementsprechend technisch besser, aber auch 3 – 4 Mal so teuer und außerdem was ganz anderes.(?) "The Spliff Radio Show" ist perfekt arrangiert, das ist auch schon alles. Und noch schlechteres herbeizuziehen wäre völlig ohne Wert. Eins ist jedenfalls gewiß:

Grobschnitt ist/sind sympathischer. Nach 3 ½ Std. sitzen die Jungs ... na wo? Im Auto? In der Backstage beim Champus? Nee, ... am Bühnenrand und verteilen Autogramme. Mir blieb die Spucke weg. Grobschnitt kann man nicht in Worte fassen. Grobschnitt muß man selber sehen. Viel Spaß.

Im Grobschritt – Marsch!

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