Aus dem Taschenbuch Rock in Deutschland von Günter
Ehnert (Ausgabe aus 1979)
Grobschnitt
Stefan Danielak, Gesang, Gitarre (25.5.1951, Hagen)
Gerd Otto Kühn, Lead-Gitarre (2.10.1949, Preetz)
Voker Kahrs, Keyboards (8.5.1951, Osterholz-Scharmbeck)
Wolfgang Jäger, Bass (28.3.1952, Herne)
Joachim H. Ehrig, Schlagzeug, Elektronik (15.11.1951, Weimar)
Eine er ersten deutschen Bands, die schon vor Jahren mit einer
nennenswerten Bühnen-Show operierten, war die im Jahre 1966 gegründete "Crew",
die aus Stefan Danielak, Gerd Otto Kühn, Joachim H. Ehrig, Peter Classen und Edgar Höber
bestand. Das westfälische Quintett trennte sich 1969. Zwei Folgegruppen entstanden: Zur
einen, Charing Cross, gehörten der Gitarrist Gerd Otto Kühn, der Bassist Bernhard
Uhlemann und der Schlagzeuger Axel Harlos, zur anderen (die ohne Namen und öffentlichem
Auftritt blieb) zählten der Sänger und Gitarrist Stefan Danielak, der Schlagzeuger
Joachim H. Ehrig und diverse Mitmusiker.
Nach einer neunmonatigen Trennung verschmolzen beide Formationen im
Februar 1970 zu Grobschnitt. Zu Kühn, Uhlemann, Harlos, Danielak und Ehrig stieß auch
noch der Organist Hermann Quetting (vormals Chris Braun Band). Dieses Sextett (mit zwei
Schlagzeugern, aber ohne regulären Bassisten!) trat unverändert bis Mitte 1972 auf und
ist auch auf der ersten Langspielplatte zu hören. Die LP, von der Gruppe als
"Klassik-Rock" eingestuft, hatte viel "einfallslose Stellen" und war
nicht mehr als "ein Interessanter Ansatz" (MUSIK EXPRESS). Als schließlich
Bernhard Uhlemann, Axel Harlos und Hermann Quetting die Band im Sommer 1972 verließen,
löste Grobschnitt sich kurzfristig auf, wurde aber im September des gleichen Jahres
wieder aktiv. Dazu kam es, als sich das Trio Danielak, Kühn, Ehrig durch den Bremer
Organisten Volker Kahrs verstärken konnte.
Etwa ab Januar 1973 profilierte sich Grobschnitt durch ein
Bühnen-Spektakel, "eine monströse, dreistündige Freak-Klamotte, die ihresgleichen
sucht und durch Rock-Show, Theater, Pantomime, ZDF-Hitparade und Klapsmühle dem Publikum
Freudentränen in die Augen jagt" (POP). Vorgefertigte Tonband-Kollagen, Schminke und
schloddrige Anti-Kostüme gehören ebenso zum Bühnen-Bild wie die Aktionen der früheren
Rowdies und jetzigen "Schauspieler" Ralf "John McPorneaux" Gräber und
Rainer "Toni Moff Mollo" Loskand. Kernstück des ersten Grobschnit-Programms war
das 20-Minuten-Schauspiel "Am Ölberg" in dem auch Gott auftrat. Dazu legten
sich die Musiker mit "Eroc, Lupo, Wildschwein und Mist" adäquate Namen zu. Als
fünftes Mitglied kam im September 1973 aufs neue Bernhard "Bär" Uhlemann
hinzu.
Auch ihre zweite Vinyl-Pressung, das Doppelalbum
"Ballermann", wurde mit Eigenkompositionen bestückt, ausschließlich in
englisch besungen und von dem Rattles-Gitaristen Frank Mille produziert. Der auf weit
ausladenden Instrumental-Passagen basierende Space-Rock gipfelt dabei in der
33-Minuten-Version "Solar-Music". "Zwar fehlt es den Westdeutschen nicht am
Können (und schon gar nicht an Ideen)", schrieb STEREO, "aber ihr auf der
Bühne witziger und origineller Klamauk-Rock läßt sich eben schwer in Platten-Masse
pressen."
Ohne Bernhard Uhlemann, der die Band im Frühjahr 1975 verließ, aber
mit dem neuen Bassisten Wolfgang "Popo" Jäger brachte Grobschnitt das
"Sahara"-Programm auf die deutschen Rock-Bühnen. Zwischen Träumerei und
Wirklichkeit, Gag und Slapstik, Beduinenkleidern und Zaubererkostümen, Tagesschaufanfaren
und Marschmusik zelebrierte Grobschnitt ein Show-Programm das weltweit
seinesgleichen sucht. Die dazu eingeblendeten Klangcollagen und elektronischen Effekte
sind Ideen des Schlagzeugers Joachim "Eroc" Ehrig, die im Heimstudio
erzeugt fast komplett auf seinen Solo-Alben "Eroc" und "Eroc
II" wiederzufinden sind.
Ihr drittes Album "Jumbo", das zuerst in englischer Sprache
veröffentlicht wurde, kam fünf Monate später bei gleicher Ausstattung noch einmal mit
deutschen Texten in die Läden. "Ein Meisterwerk" (MUSIK JOKER), "dessen
Sound sich erfreulich vom bedeutungsschweren Brimborium viler deutscher Gruppen
abhebt" (NÜRNBERGER NACHRICHTEN). Das Folge-Album "Rockpommelss
Land" trägt die Züge eines Konzeptalbums. Über zwei Plattenseiten wird die
Geschichte des Jungen Ernie erzählt, der träumend dem grauen Alltag entflieht und sich
mit Hilfe eines Marabus auf eine abenteuerliche Reise begibt, bis er sein Glück im
Rockpommel-Land findet. "Ihre beste LP bis dato" (HÖR ZU), "erinnert"
so der RECORD MIRROR, "in ihren Klang-Strukturen stark an Yes". Tatsächlich
stand und steht Grobschnitts musikalisches Konzept, einschließlich der raum- und
zeitentrückten Texte, in keinem Verhältnis zum Bühnen-Klamauk der Gruppe. Daß trotz
dieser Diskrepanz ihre Konzerte "wie eine Offenbarung" (WZ) empfunden werden,
widerspricht gängigen Vorstellungen.
Anfang 1978 inszenierte die Band eine "Söldner-Show", in
deren Mittelpunkt eine deutsche Truppe steht, die eine Brauerei vor den anrückenden
Franzosen abschirmen muß. Die Truppe sieht ihre Aufgabe darin, jeden Tropfen vor dem
Anrücken des Feindes zu "vernichten". In einer weiteren Blende wird auf der
Bühne (mit Bett und Plumpsklo) ein Besuch der alten Kameraden beim Hauptmann Elias
Grobschnitt dargestellt. Mit solcherlei Nonsens und einer bis zu vierstündigen
Non-Stop-Show etablierte sich die Gruppe zu einem der gefragtesten Live-Acts Deutschlands.
Im Februar 1978 waren 5.000 Besucher nach einem Konzert in der Halle Münsterland
"schier aus dem Häuschen" (POP).
Das Kernstück eines jeden Grobschnitt-Programms, das einstündige Opus
"Solar Music", füllt das fünfte Album der Band. Live in Mühlheim
mitgeschnitten, offenbart das Album über 53 Minuten (!) ausgezeichnetes Rock-Handwerk und
natürlich ihren Humor: Der LP-Titel "Food Sicore" sollte
rückwärts gelesen werden.
Am 22.9.1978 wurde Grobschnitt in der ZDF-Sendung "Aspekte"
vorgestellt.