Zeitungsartikel über Konzert in Büsum 1972?

 

Krach um Pop-Musik in der Freizeithalle

Geschäftsführer drehte Sicherung heraus

· BÜSUM. Zum Krach kam es am Mittwochabend in der Büsumer Freizeithalle, als die Pop-Gruppe "Grobschnitt" dort gastierte. Geschäftsführer Lorig drehte die Sicherung heraus, und die Veranstaltung war geplatzt. Große Aufregung bei den Jugendlichen und natürlich auch bei der Band, die für diese Aktion kein Verständnis zeigte. Joachim Heinz Ehrig, Mitglied der "Grobschnitt", bat die Dithmarscher Rundschau, eine Stellungnahme zu veröffentlichen, die die Jugendlichen mit der Band zusammen ausgearbeitet hatten. Die Rundschau befragte auch den Geschäftsführer der Freizeithalle, Lorig.

Seine Meinung dazu war, daß die Aktion berechtigt gewesen sei. Die Pop-Gruppe habe mit normaler Lautstärke angefangen zu spielen. Plötzlich hätten die sechs Musiker die 15 Lautsprecher voll aufgedreht, so daß es nicht mehr auszuhalten gewesen sei! Lorig sei nach draußen gegangen und habe die Hand an das Außentor gehalten. Die Metalltür vibrierte von den Klängen der Musik.

Daraufhin habe er Propsteijugendwart Petersen gebeten, die Gruppe zum Leiserspielen aufzufordern. Auch er habe noch einmal nachdrücklich darauf gedrängt, den Ton herunterzuschrauben. Darauf sei nichts geschehen.

Ein Nachbar habe sich beschwert, er könne in seinem Haus nicht einmal die Tagesschau hören, so laut sei die Musik. Er habe daraufhin noch einmal gebeten, die Musik leiser zu stellen. Als nichts geschah, habe er die Sicherung herausgedreht und die Veranstaltung abgebrochen. Alle zahlenden Zuschauer, 86 an der Zahl, hätten ihre 2.50 DM Eintrittsgeld zurückerhalten.

Zur Zeit würden drei Anzeigen wegen ruhestörenden Lärms gegen die Freizeithalle laufen, die alle mit den Vorgängen am Mittwochabend zusammenhängen würden. Lorig betonte, daß er nichts gegen Pop-Musik habe, nur die Lautstärke und die unnachgiebige Haltung der Musiker habe ihn dazu veranlaßt, zu den getroffenen Maßnahmen zu greifen!

Hier nun die Stellungnahme der Jugendlichen:

Die Freizeithalle oder "Gleiches Recht für alle?"

Es ist unbestreitbar positiv, den zweifelsohne provinziellen Charakter des Kulturlebens einiger Seebäder in unserer Umgebung durch Errichtung sogenannter "Freizeitgestaltungseinrichtungen" auf einen der heutigen Zeit angemesseneren Stand bringen zu wollen. Deswegen ist auch die Aktion einer kapitalkräftigen Privathand, in Büsum eine "Freizeithalle" zu bauen, grundsätzlich lobenswert.

Abgesehen davon, daß hier die Freizeit des Bürgers ohne wesentliche finanzielle Belastung in verschiedene, mitunter sogar anspruchsvolle Stückchen zerteilt werden kann, ist solch eine Einrichtung auch mehr oder weniger eine feine Repräsentation. In der "Freizeithalle" kann sich alt und jung eigentlich nach Herzenslust vergnügen. Jedoch anscheinend nur in dem vom Eigentümer für richtig erachteten Rahmen. Und hier hinkt das System ein wenig, denn es soll sich ja der Bürger vergnügen und nicht der Eigentümer.

Es ist bekannt, daß auch musikalische Darbietungen ein Teil der Freizeitgestaltung sein können. Deswegen finden in der Freizeithalle Büsum des öfteren Blaskonzerte und derartige Veranstaltungen statt, die dem Volke (dem älteren wenigstens) so recht aus der Seele sprechen.

Wie gesagt, man hatte eine Pop-Gruppe verpflichtet. Daß diese Gruppen den üblichen Blaskapellen an Lautstärke nicht nachstehen, dürfte allmählich auch in diesem Teil der Welt bekannt sein. Aber da die Freizeithalle im Gegensatz zum Jugendheim Heide, wo dieselbe Gruppe am Sonntagabend gastierte, ziemlich abseits stark bewohnter Viertel liegt, kann naturgemäß einer Durchführung eines Pop-Konzerts nichts im Wege stehen. Das dachten Gruppe, Zuhörer und Veranstalter am Mittwoch auch.

Doch es stand etwas im Wege.

Nachdem die Gruppe eine halbe Stunde gespielt hatte und die Stimmung unter den Zuhörern und Gruppenmitgliedern stieg, sagte es plötzlich "knack" und es war still im Saal. Die Lichtorgelspiele der Gruppe hörten auf, und die Mitglieder machten etwas erstaunte Gesichter. Dem Kundigen offenbarte es sich sofort: da war der Strom weg.

Was war geschehen? Der Leiter der Freizeithalle hatte sämtliche Sicherungen der Bühnenzuleitung ausgeschaltet, nach dem er zuvor mit dem etwas erpresserisch anmutenden Ausruf: "Entweder leiser oder ich drehe den Saft ab" versucht hatte, während eines Stückes Einfluß auf die Lautstärkeregelung der Verstärkeranlage zu nehmen. Er hatte vor diesem Stück bereits zu der Gruppe gesagt, daß sie leiser machen sollten oder aufhören müßten. Daraufhin hatten die Musiker mit Rücksicht auf das Publikum weitergespielt, nachdem sie die Anlage etwas gedämpft hatten.

Wer sich auf diesem Gebiet etwas auskennt, weiß, wie. schwer es ist, eine Anlage solchen Ausmaßes gleichmäßig in der Lautstärke zu beeinflussen. Vor Beginn des Konzertes sind dafür unter Umständen Stunden notwendig. Weiterhin ist es für eine Verstärkeranlage, deren Wert bei 100.000 Mark liegt, durchaus nicht vorteilhaft, wenn sie bei voller Lautstärke den Strom gesperrt bekommt. Und letzten Endes ist auch für den "König" Zuhörer die Methode, ein Konzert im vollstem Fluß einfach mittels solch eines barbarischen Schrittes zu stoppen, ziemlich rätselhaft, eventuell sogar ungewohnt und störend. Wenn man von den Gefühlen der Musiker schweigen will, so muß man aber dennoch erwähnen, daß das eigentliche Konzert nur etwa 20 Prozent der gesamten Arbeit erfordert. Der Rest ist Auf- und Abbauen, wobei alle Mitglieder voll beteiligt sind.

Zum Spielen muß man aufbauen, und spielen wollte die Gruppe.

Ob diese Situation in Zukunft weitere Gruppen dieser Art anlocken wird, mag dahingestellt sein. Ob die Jugend damit einverstanden ist, mag auch dahingestellt sein.

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