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Hagen. (thor) Auch wenn die Hagener Rock-Szene weitgehend aus den
Schlagzeilen der Zeitungen und Zeitschriften und von der Mattscheibe verschwunden ist,
auch wenn Nena und Extrabreit derzeit kaum ein (musikalisches) Thema sind, tot ist die
Rockmusik »made in Hagen« durchaus nicht »Grobschnitt« liefern den Beweis - seit
nunmehr 17 Jahren steht die Band, wenn auch in wechselnder Besetzung auf der Bühne und
begeistert ihr Publikum. Das HA-GAZ1N begleitete Grobschnitt eine kurze Wegstrecke lang
auf ihrer Mammut-Tournee durch Deutschland.
Seit Mitte März tourt die Hagener Rockband Grobschnitt nun schon durch
Deutschland. Mehr als 50 Konzerte werden die sechs Musiker von der Volme nach Bochum,
Frankfurt, Düsseldorf, Mainz, Bremen, Hannover, Hamburg, Berlin, Bielefeld, Münster,
Dortmund, Nürnberg, Essen, Stuttgart und Saarbrücken führen, um nur einige Stationen zu
nennen.
Was macht den Erfolg dieser Gruppe der ersten Stunde aus, die nach
Ablauf ihrer diesjährigen Tournee vor mehr als 100.000 begeisterten Zuschauern gespielt
haben wird?
Milla Kapolke, seit nunmehr sieben Jahren Bassist bei Grobschnitt,
sieht für den gleichbleibenden Erfolg seiner Gruppe hauptsächlich einen Grund:
"Grobschnitt hat sich eigentlich seit Bestehen weitgehend unabhängig von Trends und
Modeerscheinungen in der Rockmusik gemacht, das heißt, wir haben unser Publikum, unsere
Fans im Laufe der Jahre durch unseren ureigenen Stil gewonnen. Die Leute kommen in unsere
Konzerte, um Grobschnitt zu hören, und nicht, weil wir vielleicht zu einem bestimmten
Zeitpunkt so ähnlich musizieren wie eine andere Band, die gerade die Hitparade
erobert."
Auch wenn die Musik zu dem Science Fiction Film »Silent
Movie«, die von Grobschnitt komponiert und gespielt worden war, 1981 um die Welt ging und
die Gruppe damit auch international bekannt machte, Kommerz-Orientiertheit kann man der
Band wirklich nicht vorwerfen.
Daran ändern auch die »Ausrutscher« in den Jahren 1983 und
1984 nichts, als Grobschnitt mit den Singles »Wir wollen leben« und »Wie der Wind«
ihren Beitrag zum Siegeszug der Rockmusik aus Hagen in den Hitlisten der Rundfunkanstalten
leisteten. Zu dieser Zeit war natürlich die Versuchung groß, in dieser Schiene
weiterzufahren, zumal die Plattenfirma darauf drängte, auf dieser Welle noch ein Weilchen
weiterzureiten.
Auch wenn es an diesem Abend in der Winterberger Eissporthalle kalt war,
echte Grobschnitt-Fans kann das nicht abhalten. Schon nach wenigen
Stücken hatte wohl jeder die Kälte vergessen ...
Wie gut die Gruppe möglicherweise daran tat, dieser Versuchung nicht
zu erliegen, wird vielleicht auch in dem Schicksal der Hagener Aushängeschilder in Sachen
Rockmusik, Nena und Extrabreit deutlich, die derzeit einige Schwierigkeiten haben, an ihre
einstigen Erfolge anzuknüpfen.
»Wir wollen leben«, die erfolgreichste Single der "grob
Geschnittenen" gehört heute übrigens nicht einmal mehr zum Programm, das in den
Zugaben gespielt wird. Grobschnitt kann so für sich in Anspruch nehmen, zwar nie
schwindelerregende Höhen des Musikgeschäftes erklommen zu haben, dafür aber auch nie
die Tiefen durchmessen gemußt zu haben wie die Kollegen von Extrabreit, die ihre Zuhörer
augenblicklich mit Handschlag begrüßen können, ohne dabei viel Zeit zu verlieren. Milla
Kapolke: "Von unseren Schallplatten-Verkäufen konnten wir noch nie leben, viel
wichtiger waren und sind die Live-Auftritte, der direkte Kontakt zu unserem
Publikum."
Tournee heißt für Grobschnitt in diesem Jahr von Mitte März bis Ende
Juni aus dem Koffer zu leben. Der Tagesablauf beginnt morgens etwa gegen 10 Uhr, je
nachdem, wie weit es bis zum nächsten Konzertort ist, auch früher. Ab mittags beginnt
dann die sechsköpfige »Road-Crew« mit dem Aufbau der Anlage, die sich übrigens
entgegen den Gepflogenheiten der Branche im Besitz der Band befindet.
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Aufbau
der Anlage, das bedeutet harte Knochenarbeit. Insgesamt 16 Tonnen Ausrüstung müssen von
Hand ausgeladen, ausgepackt und installiert werden. "Etwa vier Stunden brauchen wir
für den Aufbau", erzählt uns Heinz, als selbständiger Unternehmer im
»Roady-Geschäft« tätig.
Wenn alles steht, alle Stecker in der richtigen Dose sind, wenn die
unzähligen Meter Kabel verlegt sind, ist dann der "Auftritt" von Franz an der
Reihe, dem studierten Ton-Ingenieur der Gruppe. »Sound-Check« heißt das stundenlange,
für den Beobachter ermüdende Geschäft. Jedes Instrument muß am Mischpult genau auf die
akustischen Gegebenheiten der jeweiligen Halle eingestellt werden. Jede Halle muß anders
beschallt werden, bis schließlich die insgesamt 10.000 Watt den Sound liefern, für den
die Gruppe bekannt ist, und den ihre Fans von ihr erwarten. |
Ungewöhnlich für eine Rock-Band: das gesamteEquipment, das
ungefähr eine Dreivirtel Mio DM wert ist, gehört den Musikern.
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Als wir an diesem Abend bei dem Konzert in der Winterberger Eissporthalle
dabei sind, ist es der 36. Auftritt der laufenden Tournee. Macht das dann eigentlich noch
Spaß, jeden Abend das gleiche Programm "abzuspulen"? Die Reaktion auf diese
Frage ist heftig. "Wir sind keine Maschinen und Rockmusik ist kein Computer-Programm.
Sicher gibt es gute und weniger gute Konzerte, aber Lustlosigkeit gibt es nicht und darf
es nicht geben. Außerdem ist da ja auch noch das Publikum, das Dich anheizt!"
Was das "Einheizen" betrifft, sind die Bedingungen an diesem
Abend alles andere als ideal. Die Halle verfügt über keine Bühne und macht ihrem Namen
und sonstigen Verwendungszweck alle Ehre, es ist lausig kalt. Schon vorher hatten sie das
weitgehend gewußt, warum sind sie dann trotzdem wieder nach Winterberg gekommen? In der
Antwort auf diese Frage spiegelt sich viel von dem Verhältnis wieder, das die Gruppe zu
ihren Anhängern pflegt: "Auch hier im Hochsauerland leben unsere Fans, und sie haben
das gleiche Recht wie die in Bergisch-Gladbach, Tuttlingen oder Bad Harzburg."
Also beginnt zum 36. Mal die über dreistündige Bühnenshow, für die Grobschnitt
mittlerweile bekannt ist. Passend zu ihrer aktuellen LP »Fantasten« treten die
Mitglieder der Road-Crew abwechselnd in Phantasie-Kostümen als Fabelwesen auf, werden mit
Schleifhexe und Schweißbrenner besondere Effekte in Licht und Schall auf die Bühne
gezaubert.
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Vor jedem Konzert immer wieder das Gleiche: Gitarrist "Lupo"
und Bassist Milla Kapolke beim "Soundcheck".
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Toni
Moff Mollo, Herr über die 150.000 Watt Scheinwerfer-Anlage, taucht das ganze Spektakel
nach genau festgelegter Licht-Regie in vielfarbige Kegel oder läßt kurzerhand alles
schemenhaft im Qualm der Nebelmaschine verschwinden. Jedes der aufwendigen Kostüme, wie
überhaupt alles rund um die Band und ihre eindrucksvolle Show, ist übrigens von den
Mitgliedern der Gruppe selbst erdacht und gefertigt worden.
Die an diesem Freitagabend erschienenen Fans von Grobschnitt haben ihr
Kommen nicht bereut, zumal von der bereits erwähnten Kälte schon nach wenigen Minuten
kaum noch etwas zu spüren war. So geht es auch an diesem Abend trotz drei Stunden Musik
nicht ohne mehrere Zugaben ab. |
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Kurz vor Mitternacht geht schließlich in der Eissporthalle von
Winterberg das Licht wieder an. Noch während Willi, Lupo, Ralf, Toni, Milla und Thomas
Autogramme geben und mit ihren Fans plaudern, sind die Roadies bereits damit beschäftigt,
die gesamte Ausrüstung wieder einzupacken, was etwa noch zwei Stunden dauern wird.
Am nächsten Morgen wird es mit dem Ausschlafen nicht viel. Abends
steht der nächste Auftritt im mehr als 200 Kilometer entfernten Alzey auf dem
Tournee-Fahrplan. Das hindert die Rockmusiker aus Hagen jedoch nicht, im Hotel in aller
Ruhe noch ein Bierchen zu trinken, denn "schlafen kann direkt im Anschluß an ein
Konzert sowieso keiner von uns", wie Milla versichert.
Die Hagener Rockgruppe Grobschnitt auf Tour: »Fantasten«, die mit den
Beinen auf dem Boden geblieben sind.
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Franz, studierter Ton-Ingenieur, an seinem Instrument.
Er ist für den perfekten Sound in der Halle verantwortlich.
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