Eigentlich
ist die große GROBSCHNITT-Herbsttournee in diesem Jahr schon beendet, aber in der
Wuppertaler Stadthalle findet am 11.12.79 doch noch ein allerletztes Konzert statt.
Für mich ist es das erstemal, daß ich GROBSOHNITT live erlebe, und
ich bin ganz schön gespannt auf die Jungs aus Hagen, die inzwischen mühelos alle großen
Hallen füllen.
Wir sind schon sehr früh da, aber doch nicht früh genug, um den
Leuten beim Aufbauen zuschauen zu können, denn die Anlage steht schon längst, und
GROBSCHNITT spielt sich lange und konzentriert auf den Auftritt ein. Also keine
Superstars', die ihre Roadcrew vorschicken und selbst erst mit viertelstündiger
Verspätung eintreffen.
Als die Türen geöffnet werden, füllt sich der Saal im Nu; die Fans
lassen sich auf den Fußboden nieder. - Irgendwann wird dann das Vorprogramm eingespielt.
Die vor Spannung knisternde Atmosphäre entlädt sich immer wieder, wenn ein Klang bekannt
ist oder ein Witz ankommt.
Als die Monster dann den Vorhang öffnen und die Musiker in dunkle
Kutten gekleidet auf der Bühne erscheinen, bricht frenetischer Beifall aus. Endlich geht
es los! - Die Fans stecken sich ihre Wunderkerzen an und schwenken sie über den Köpfen
oder werfen sie auf die Bühne. Man spürt Begeisterung und Freude im Publikum.
Die ersten Stücke sind alle von der neuen LP "Merry go
round" und werden vom Publikum wohlwollend aufgenommen. Jubel kommt bei den Fans aber
erst auf, als Altbekanntes angekündigt wird: "Rockpommel's Land". Es ist diese
Musik, die Grobschnitt an die Spitze der deutschen Bande brachte. Gäbe es auf der Bühne
nicht so viel zu sehen, würde es mir sicher noch besser gelingen, mich auf das
Klangereignis' zu konzentrieren. Der Sound ist auch da, wo ich sitze (direkt neben
dem PA-Aufbau) ganz gut.
"Anywhere" --- ich finde die Musik unheimlich stark, -
Wildschweins ruppige Stimme zu den auf der Gitarre gezupften Melodien, - ein langsames
Stück.
Ziemlich mies finde ich dagegen Toni Moff Mollos Showeinlagen, die sich
hauptsächlich um seine Hose drehten ... Hat Toni oder hat Grobschnitt das nötig?! Das
macht das politische Engagement der Gruppe (contra Umweltzerstörung und den
starkem Mann aus dem Süden ...) nicht gerade glaubwürdiger!
"Solar Music" - darauf warten die Fans schon! Allein die
Ankündigung dieses alten immer neuen Stückes löst Begeisterungsstürme aus.
Am Ende einer langen und anstrengenden Tournee wirken die Musiker und
"Solar Music" frisch und unverbraucht. Auch diesen letzten Auftritt in einer
vergleichsweise kleinen Halle nehmen sie ernst. "Solar Music" und ein
riesiger Licht-Funken-Feuer-Zauber ...
Einige Fans hält es nicht mehr auf ihren Hintern, sie springen
auf, und im nächsten Moment sind auch alle anderen auf den Beinen und stürzen zur
Bühne.
Ein-zwei-drei Zugaben. Zur zweiten Zugabe läßt GROBSCHNITT sich lange
bitten. Das Publikum wird nicht müde. In das ,Zugabegeschrei mischen sich schon Pfiffe
... da erscheinen die Musiker als Wüstenscheiche verkleidet und springen zum Playback auf
der Bühne herum. - Irgendwie habe ich keine richtige Lust mehr. Fast drei Stunden
Rockkonzert machen ganz schön fertig, und jetzt gibt's sowieso nur noch Klamauk
... Nachdem ich dann noch eine Ladung weiße Sprayflocken einatmen mußte (was ist das
überhaupt für ein Zeug?), habe ich endgültig den Rückzug angetreten.
Es gibt noch eine Zugabe, bei der ich schon nicht mehr dabei bin; es
gibt Händeschütteln mit den Stars, strahlende Fans, die ein Stück der
"Anakonda" oder Tonis Lederhose erbeutet haben, und viele, die sich ein buntes
Faltblättchen in die Hand drücken lassen.
GROBSCHNITT wird von ihren Fans heiß geliebt. Die Gruppe hat das
Publikum fest im Griff und fasziniert es mit ihrer Musik und der Bühnenshow. - Mir hat
das Konzert auch Spaß gemacht, wenn ich auch nicht so hingerissen war wie viele andere.
Vielleicht lag das daran, daß ich ganz vorne an der Bühne saß und
das ganze Spektakel aus allernächster Nähe miterlebte. Die Lichteffekte wirken sicher
aus etwas größerer Entfernung stärker, und auch Monstermasken mit leuchtenden Augen
sind nicht so eindrucksvoll, wenn sie nur nen Meter entfernt vor Dir stehen ...
Sigrid
GROBSCHNITT hat im letzten Herbst eine sehr ausgedehnte und
erfolgreiche Deutschlandtournee hinter sich gebracht. Nach dem letzten Konzert in
Wuppertal machte Reinhold mit LUPO das folgende Interview.
Reinhold: Nach Eurem Konzert in Wuppertal hat es
einige Kritik gegeben, was Eure Show angeht ...
LUPO: Manche Sachen, die fallen einem selbst gar nicht
so stark auf ... es läuft alles gut, das Volk tobt, - dann glaubst Du, es richtig gemacht
zu haben. Aber Du darfst nicht nur von den Leuten ausgehen, die sowieso immer schreien,
egal, ob Du jetzt was Gutes oder was Schlechtes machst, die brüllen immer, und sind auch
immer in der Mehrzahl. - Man muß auch versuchen, die anderen in den Griff zu kriegen, -
nicht alle - das schafft sowieso keine Gruppe -; aber die Show war auch unserer Meinung
nach nicht so gut wie sie sein sollte!
Wir haben das Konzert ja mit Video aufzeichnen lassen und haben es uns
hinterher gemeinsam angesehen. Da fallen einem dann plötzlich Sachen auf, die man vorher
gar nicht so mitbekommen hat. Und ich verstehe die Leute voll und ganz, die der Meinung
sind, daß Toni's "Analshow" nicht das Wahre ist!
Reinhold: Wie kommt Eure Show denn eigentlich
zustande?
LUPO: Die ist in keiner Weise geprobt und auch nicht
abgesprochen. Die ist so im Laufe der 45 Konzerte entstanden.
Reinhold: Denkt Toni Moff Mollo sich die Sachen alle
aus?
LUPO: Nein, er überläßt das dem Zufall, was ihm
gerade so einfällt. Manchmal fällt ihm was Gutes ein, und in Wuppertal, - das kannst Du
eigentlich nicht als Maßstab nehmen, - da sind wir alle irgendwie übermütig geworden.
Es zog sich alles so hin ... die Ernie-Show wurde 25 Minuten lang, und Moffo war blau! Das
war der einzige Auftritt, bei dem er überhaupt vorher Alkohol getrunken hatte. - Er
wußte teilweise gar nicht mehr, was er anziehen sollte. Bei seinen Einsätzen muß er ja
bestimmte Kostüme anziehen, und einmal, da hat er die total vertauscht, - bei
"YMCA"! Ich ging in den Umkleideraum, um was zu trinken, da stand er da schon im
Kostüm vom übernächsten Stück und hatte das alles gar nicht mitgekriegt. Und bis er
sich dann wieder umgezogen hatte ... Er kam dadurch natürlich viel zu spät auf die
Bühne, und Eroc mußte deswegen dann noch einen erzählen! - Die Leute haben das nicht
gemerkt, aber an diesem Abend lief bei Toni überhaupt nichts; er kriegte auch keinen
geraden Ton auf die Beine!
Reinhold: Ich fand seine Show besonders störend bei
"Anywhere", das paßte meiner Meinung nach überhaupt nicht da rein!
LUPO: Ja, das stimmt. Das ist die Meinung aller Leute.
- Aber weißt Du, das ist schwierig zu sagen. Wir kennen uns untereinander ja unheimlich
gut, und wir lachen meistens noch mehr als das Publikum: auch nach 40x Sehen lachen wir
noch! Das ist das Phänomenale daran, und es stört uns streckenweise gar nicht, wenn aus
dem Publikum keine Reaktion kommt. Hauptsache, wir haben "intern" was zu lachen.
Das ist für uns unheimlich wichtig! - Ob das immer der richtige Weg ist, bleibt
dahingestellt. Und wenn Du Dich dann mal so 3 Stunden auf Videoband siehst lernst Du mehr,
als wenn Du 5 Jahre nur spielst ... Da wundert man sich, was man alles zu sehen bekommt.
Reinhold: Werdet Ihr nach dem Film in Zukunft was
anders machen?
LUPO: Werden wir sicherlich. Wir hatten gestern abend
so ne Feier und haben uns schon darüber unterhalten. Aber erst auf unserer
sogenannten Jahreshauptversammlung werden wir Näheres besprechen. Jeder
einzelne hat jetzt erkannt, welche Fehler er macht. Keiner ist frei davon. Toni wird's
besonders gemerkt haben. - Aber oft genug hat Toni durch seine Show auch den Auftritt
gerettet, wenn's überhaupt nicht gut lief. Aber diesmal waren eben zu viele
"Analphasen" drin! Es war nicht immer so, aber das ist die häufigste Kritik,
die wir zu hören bekommen haben. Und so was kann viel mehr zerstören, als Du Dir
vorstellen kannst. Denn wenn die Gruppe bekannt ist und die Leute was erwarten, dann
warten die Kritiker nur darauf, daß Du was falsch machst, damit sie sofort zuschlagen
können! - Dann heißt es: die Gruppe ist bekannt, und da muß einfach alles stimmen!
Reinhold: Ich finde aber, daß das gerade das Gute an
Euch ist, daß nicht alles an Eurer Show 100%ig geplant ist und 100%ig stimmt! Man hat das
Gefühl, daß viel spontan kommt und nicht einstudiert ist. Das finde ich okay!
LUPO: Einstudiert ist natürlich nichts! Aber nach so
vielen Auftritten hat man einige Sachen, die man immer wieder bringt. Ganz besonders bei
den Ansagen.
Reinhold: Da war doch bei dem Konzert der Zwischenfall
mit den Wunderkerzenwerfern. Du sagtest am Mikrofon, daß das Konzert beendet wäre, wenn
noch jemand eine Wunderkerze wirft. - Das fand ich sehr gut! Und noch stärker fand ich,
daß die Leute auch wirklich damit aufgehört haben.
LUPO: Das letzte Mal in der Westfalenhalle, da haben
auch einige Leute mit Wunderkerzen geworfen, und da brüllte Erco richtig ins Mikrofon!
Und von da an hat keiner mehr mit den Dingern geworfen. - Das ist schon wirklich ein
Wunder. Wir brauchen nur einmal was zu sagen, und alle sind ruhig und verhalten sich
diszipliniert. Man muß aber auch schon zu Beginn des Konzerts sagen: Setzt Euch
hin, sonst sind die Leute, die hinten sitzen blöd dran, die können dann nichts
sehen. - Während des Konzerts hört keiner mehr darauf!
Reinhold: Wann wird denn Eure nächste Tournee
stattfinden, im nächsten Winter?
LUPO: Sehr wahrscheinlich!
Reinhold: Und die nächste LP erscheint dann kurz
davor?
LUPO: Ganz fest steht das natürlich nicht, aber
vieles spricht dafür!
Reinhold: Man merkt, daß Ihr nach einem bestimmten
Schema arbeitet: Platte - Tournee - Üben.
LUPO: Das stimmt, wir wollen diesen Kreislauf auch
beibehalten. So hat alles seine Ordnung, und wir können uns auch den Urlaub gut
einteilen. Sonst hätten wir wahrscheinlich gar keinen ...
Reinhold: Du bist für das gesamte Management
zuständig, oder?
LUPO: Das stimmt. Zu mir kommt auch unsere ganze Post,
die ich dann nach und nach einzeln beantworten muß. Das ist ne Heidenarbeit, denn
jeder Fan-Brief wird von mir beantwortet! - Ungefähr die Hälfte der Fan-Post kommt von
Autogrammjägern, da ist nicht so viel zu tun. Einfach nur die Karte in einen Umschlag,
und schon ist die Sache fertig. - Die andere Hälfte besteht aus längeren Briefen, manche
schreiben vier Seiten! Da muß ich auch ca. zwei Seiten zurückschreiben, die ganzen
Fragen beantworten usw. - Manchmal geht es um persönliche Problem und Fragen, teilweise
sind es Fragen, die uns speziell betreffen.
Reinhold: Was fragen die Fans denn so?
LUPO: Ja, die fragen alles Möglich. Was man sich so
denken kann, und manchmal aber auch was, was Du Dir nicht denken kannst! - Einer schreibt
uns z. B., daß er, wenn er GROBSCHNITT hört, auf den Balkon gehen müsse und
runterspringen will. Er sei schon dreimal in Warstein gewesen. Ich hab' ihn dann angerufen
und ihm einen Brief geschrieben, und von da an ging es ihm wieder gut.
Diese Briefe alle zu beantworten, ist wahnsinnig schwer. Für 1 Brief
brauchst Du schon anderthalb Stunden. Und man kann ja nie das gleiche schreiben, es sind
ja immer andere Fragen, auf die man eingehen muß.
Reinhold: Du bist doch sicher nicht der Einzige, der
was für die Gruppe tut?
LUPO: Die anderen haben schon mehr frei als ich. Das
soll aber nicht heißen, daß sie nichts tun! Wildschwein zum Beispiel macht die ganzen
Steuersachen, das heißt, er bereitet das alles vor. Mist hat nächtelang an den
Showsachen gesessen. Denn das machen bei uns alles noch die Musiker!
Reinhold: Wieviel Zuschauer hattet Ihr so
durchschnittlich bei Euren Konzerten?
LUPO: In der Geschichte der deutschen Rockmusik hatten
nur Udo Lindenberg und Peter Maffay mehr, - wenn Du ihn als Rockband einstufen willst.
Maffay hatte sogar noch mehr Zuschauer als Lindenberg. Er hat zweimal in der Grugahalle
gespielt, - es gab kein Konzert, das nicht ausverkauft war! Dreimal hat er in Hamburg
gespielt, es war immer total ausverkauft, schon im Vorverkauf! Er hat eben die ideale
Mischung gefunden, - er hat die Rockfans auf seiner Seite und die Schlagerfans! Das ist
die breite Masse, und wenn Du die für Dich gewonnen hast, dann hast Du ausgesorgt! Peter
Maffay hat sogar Platin-LP's bekommen, und mit seinen alten Platten ist er auch wieder im
Geschäft.
Reinhold: Wie ist das mit Euren Live-Shows, lohnt sich
das für Euch finanziell?
LUPO: Wir haben damit immer Geld verdient, das dann
der Anlage zugute kam. - Im Süden, da hätten wir mehr Zuschauer gebrauchen können!
Reinhold: Welche Platte hat sich von Euch am besten
verkauft bisher?
LUPO: Die liegen alle ungefähr gleich. Fast alle
Platten haben inzwischen so eine Auflage von 65.000 erreicht, wenn man von der ersten mal
absieht. Bekannt wurden wir ja eigentlich durch "Rockpommel's Land", - von der
Musik her gesehn. Vorher galten wir mehr als eine reine Showgruppe. Aber jetzt verkaufen
sich auch die älteren LPs sehr gut. Ich glaube, es gibt keine deutsche Gruppe, die zur
Zeit mehr an alten Platten verkauft als wir!
Reinhold: Wird Toni Moff Mollo in Zukunft noch mehr
als Sänger in den Vordergrund treten?
LUPO: Er wird bald auch ganze Stücke singen. Wir
wollen versuchen, noch vielseitiger zu werden.
Reinhold: Du hast doch auch schön gesungen ...
LUPO: Ja, aber das war immer mehr im Hintergrund.
Singen ist eben nicht jedermanns Sache, - vor allem nicht, wenn man einen so strengen
Gesangslehrer wie Wildschwein hat! Der hört jeden falschen Ton sofort raus!
Reinhold: Hat Wildschwein mal Gesang studiert?
LUPO: Nein, wir sind alle Autodidakten, wenn man von
Mist einmal absieht, der vorher schon jahrelang mit Musik beschäftigt war.
Reinhold: Versuchst Du noch, Dich auf der Gitarre
weiterzubilden, zum Beispiel nach Noten zu spielen?
LUPO: Leider komme ich aus Zeitgründen nicht dazu.
Ich kann zwar nach Noten spielen, aber das könnte auch noch besser sein. - Es war schon
ein Fortschritt, daß Wildschwein und ich ein akustisches Stück ganz ohne Background auf
der Bühne gespielt haben, und es ist beim Publikum jedesmal sehr gut angekommen.
Reinhold: Habt Ihr nun nach Euren neuen Erfolgen
irgendwelche Auslandspläne?
LUPO: Wir haben viele Angebote aus dem Ausland, aber
es lohnt sich nicht, solange wir keine LP in den Charts haben, denn erst dann kommen die
Leute!
Reinhold: Hast Du noch nie daran gedacht, das
Management abzugeben?
LUPO: Eigentlich schon. Das Problem ist, den richtigen
Mann zu finden, der die nötigen Beziehungen hat, um weiterzukommen. Ich kenne in
Deutschland einige professionelle Managements, die diese Vorraussetzung nicht erfüllen!
Nur um Verträge abzuschließen, brauche Ich keinen Manager!
Reinhold: Warum wird von Eurer Plattenfirma eigentlich
keine Werbung in großem Stil betrieben, wie es zum Beispiel die Firma von LAKE gemacht
hat?
LUPO: Das ist ganz einfach: die METRONOME ist dafür
nicht zu begeistern, und LAKE gibt es zum Beispiel auch nicht mehr.
Reinhold: Habt Ihr vor, die Plattenfirma zu wechseln,
wenn Ihr vertraglich nicht mehr gebunden seid?
LUPO: Das hängt ganz von den Angeboten ab. - Die
letzte und auch möglichst schon die vorletzte LP muß unheimlich reinhauen, dann reißen
sich die Leute um Dich, und Du bekommst dann vielleicht das, was Du willst!