Artikel zum Konzert in Neustadt 1977

 

Zum ersten Mal war am letzten Freitag die Markgrafenhalle Schauplatz eines Rockkonzertes. Große Befürchtungen hatte man seitens der Stadtverwaltung, daß die meist jugendlichen Besucher die Halle nicht in dem Zustand verlassen, in dem sie sie betreten hatten. Einige Eingeweihte wollten sogar wissen, daß den Stadtvätern eine Riesensauerei sogar recht gewesen wäre. Denn die hätte man ja beseitigen können, doch hätte man dann immer einen Vorwand gehabt, die Halle für solche Veranstaltungen nicht mehr zur Verfügung zu stellen.

Wie dem auch sei: die ca. 1.000 Besucher verhielten so anständig, daß die Ordner und Verantwortlichen über das Publikum mindestens genauso begeistert waren wie über die Band, Grobschnitt, die bei allen von mir befragten Erwachsenen einen zumindest "guten" Eindruck hinterließ. Nicht einmal die Lautstärke war für die meisten zu groß, die Verbindung von Musik und Show kam gut an.

 

Was die Jugendlichen anbelangt, so hatte ich den Einruck, daß sie mit dem von Grobschnitt Gebotenem zunächst nichts rechtes anzufangen wußten. Das war keine Musik zum Stampfen oder Mitklatschen, kein primitives Herumgehüpfe der Musiker, es war ganz einfach Kunst, die sich beim Publikum nicht in begeisterten Ovationen wiederspiegelte - man war zu tief beeindruckt.

Vor allem das Titelstück der letzten Grobschnitt-LP, "Rockpommel’s Land" und der einstündige Auszug aus "Ballermann" im zweiten Teil des Konzertes gefielen sehr gut. Unterstützt von den ständigen Show-Einlagen der drei Roadies Rainer Loskand, Rolf Büser und Uwe Giebeler warten Grobschnitt mit einem akustischen und optischen Spektakel auf, das man einer deutschen Band gar nicht zutraut. Allerdings schafften sie den Durchbruch erst im letzten Jahr, wobei ihnen sicher auch die sehr empfehlenswerte LP "Rockpommel’s Land" half. Auf die Frage, ob man denn internationale Ambitionen habe, antwortet Gerd Kühn: "Weißt Du, wir haben erst noch in Deutschland vieles zu erledigen." Dennoch wird Grobschnitt versuchen, zunächst in den Nachbarländern bekannter zu werden.

Die Musik von Grobschnitt zeichnet sich durch seine melodiösen Elemente aus, die sehr abwechslungsreich harmonisiert werden. Gesang und Sologitarre werden sehr schön von Orgel oder Mellotron begleitet, für einen soliden Rhythmus sorgen Joachim Ehring am Schlagzeug, Wolfgang Jäger am Baß und Stefan Danielak an der Rhythmusgitarre. Die Sologitarre spielt Gerd Kühn, die Keyboards bedient Volker Kahrs, der im zweiten Teil des Konzerts ein exzellentes Solo brachte. Er gefiel mir zusammen mit Schlagzeuger Ehring, der alleine für die Bühnenshow verantwortlich ist, am besten.

Nachdem Herr Neudecker, der für die Halle Verantwortliche, am Ende des Konzerts sich "begeistert" zeigte, "wie diszipliniert die Jugend war", kann man im Stadtrat wohl gar nicht anders, als wieder solche Veranstaltungen in der Markgrafenhalle zu genehmigen. Dem Konzert von "Wallenstein", das ‘Marabu-Conzerts‘ veranstalten, und dem von "Jane" am 22. April, das wieder Dieter Weidemann organisiert, steht also nichts mehr im Weg. Die Jugendlichen selbst haben dafür gesorgt, daß auch in Zukunft noch deutsche Spitzenbands in Neustadt zu hören sind. Bleibt nur zu hoffen, daß sie bis dahin nicht verlernt haben, wie man sich benimmt.

RS

Pressetexte-Menue