Colin Rayment with Joe Rayment – Metamorphic Phases
 

Colin Rayment with Joe Rayment – Metamorphic Phases
SynGate Records (2024)

(
4 Stücke, 55:42 Minuten Spielzeit)

Nach seinem grandiosen 2023’er Album „Time Dilation“ veröffentlichte der britische Elektronikmusiker Colin Rayment im Sommer 2024 ein Gemeinschaftswerk mit seinem Sohn Joe Rayment, der Jazzpiano studiert. Das Album trägt den Titel „Metamorphic Phases“ und ist bei SynGate Records herausgekommen. Darüber hinaus kann man das Album auch über Bandcamp digital beziehen, wo es dann noch den 4:19minütigen Bonustrack „Beyond Horizons (Sequenced Remix)“ obendrauf gibt.

 

 


Anzumerken ist, dass das Cover der CDR von SynGate einen Fehler aufweist, denn dort werden nur vier statt der enthaltenen sechs Stücke angegeben, die letzten beiden Tracks fehlen.

Drei Stücke stammen aus der alleinigen Feder von Colin Rayment, bei drei weiteren war auch sein Sohn beteiligt. Wer aber jetzt jazzige Elemente in der Musik vermutet, der liegt falsch, denn die Musik wird wieder von herrlichen Melodien und Rhythmen bestimmt.

Die Stücke des Albums befassen sich mit den Wandlungsphasen des Lebens. Kreative Inspiration umgibt uns überall, sie ist überall direkt wahrnehmbar. Wie viele Fotos, Videos oder gar Illustrationen finden wir bei einem Blick aus dem Studiofenster? Musik hingegen hat oft ihren Ursprung in der Beobachtung der Jahreszeiten und den Assoziationen durch die visuellen Veränderungen um uns herum - mehr noch durch zusätzliche Aspekte von Lebensereignissen und der Gestaltung eines nahtlosen Flickwerks als musikalische Erzählung. Und genau dies beschreiben die „Metamorphic Phases“, die Wandlungsphasen.

Der erste, 7:53minütige Track „Time Capsule“, den Colin mit Joe komponiert hat, nimmt einen auf eine sanfte Reise mit, denn die Musik schwebt und perlt zugleich sanft durch den Raum. Und die eingängige Melodie nimmt einen sofort gefangen und lädt zum Relaxen und Träumen ein. Das ist hinreißend gespielt und alles andere als belanglos.

Flächige, schillernde Sounds starten dann mysteriös in den 9:21minütigen Track „The Slow Build Of A Merging Season“. Diese wechseln dann in eine flirrende Passage, so als würde man eine Fata Morgana vor sich sehen. Nach 2:20 Minuten kommen dann herrlich weite und harmonische Flächen auf, die hymnisch und majestätisch wirken. Ab Minute 3:30 wird es dann rhythmisch, sobald der Sequenzer einsetzt und die Flächen ummantelt. Nach weiteren Momenten kommt dann eine sehr schöne, sanfte Melodielinie auf, die ab Minute 5:30 von einem Schlagzeugrhythmus untermauert wird. Jetzt hat der Track richtig an Fahrt gewonnen, ohne seinen hymnischen Charakter abzustreifen. Das Ende läuft dann verträumt aus.

„Beyond Horizons“ ist dann mit 3:36 Minuten Spielzeit der kürzeste Track des Albums. Dieser zeigt sich dann spacig und sphärisch. Nur langsam entwickeln sich hier die flächigen Sounds und schweben förmlich durch Raum und Zeit.

Weiter geht es mit dem 7:31minütigen „Mysterious Elapse In Time“, bei dem auch wieder Joe Rayment beteiligt war. Auch dieses Stück beginnt mit sanften Klängen, bei dem die melodischen Keyboardklänge in den ersten zwei Minuten wie Klangtupfer wirken. Dann geht es flotter zur Sache, denn nun kommt ein Rhythmusmuster auf und die Melodielinie tritt stärker in den Vordergrund. Einige eingestreute Klänge erinnern ein bisschen an Tangerine Dream, ohne dass die Beiden aber den Stil der Berliner Ikonen kopieren. Vor allem der perkussive Rhythmus und die eingängige Melodie halten diesen Track auf einer hohen Spannungsebene.

Dann folgen zwei Longtracks, beginnend mit dem 16:21minütigen „The Two Phases Of An Accelerometer“. Mysteriöse Klänge eröffnen dieses Stück. Da wabert zunächst sanft ein Ton im Hintergrund, auf den sich dann flächige Klänge legen. Nach gut 2:30 Minuten schwillt dann ein Grundton an auf und ab Minute Vier schiebt sich dann eine rhythmische Melodie aus dem Off in den Vordergrund. Nach etwa sechs Minuten kommt dann ein hinreißender Sequenzerrhythmus auf, der den Track in Richtung „Berliner Schule“ bringt. Colin und Joe vermögen es aber diesem Track unter die Haut gehende Harmonien zu spendieren in die man sich reinlegen kann. Da ist Gänsehaut garantiert.

Den Abschluss des physischen Albums bildet dann das 11:18minütige „Reflection Of A Metamorphic Drift“. Der Beginn ist spacig mit einer leicht hymnischen Note. Da sehe ich vor meinem geistigen Auge zunächst wieder Raumschiffe durchs All fliegen. Doch nach gut 1:45 Minuten wird es dann wieder mysteriös und es wirkt wie der Soundtrack zu sich verändernden Dingen wie zum Beispiel das Aufgehen einer Blüte im Zeitraffer. Jetzt perlen und tropfen auch die Klänge aus den Boxen. Erst nach gut fünf Minuten schält sich langsam ein Rhythmus aus dieser sanften Klangwolke heraus und gewinnt zusammen mit den jetzt eingeflochtenen Harmonien immer mehr an Dynamik. Das verströmt eine hypnotische Wirkung.

Der Brite Colin Rayment, der schon mehrfach mit seiner Musik beim Schallwelle-Preis nominiert war, legt ein weiteres tolles Album, dieses Mal in Kollaboration mit seinem Sohn Joe Rayment vor. Es ist einfach grandios, was die Beiden für Klänge und Harmonien zaubern, die Ohr und Geist umschmeicheln und komplett gefangen nehmen.

Stephan Schelle, Oktober 2024

 
   

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