Michael Brückner – Sheep Asleep
 

Michael Brückner – Sheep Asleep
Eigenvertrieb / Bandcamp (2024)

(12 Stücke, 147:53 Minuten Spielzeit)

Und noch ein Soloalbum veröffentlicht der Elektronikmusiker Michael Brückner im ersten Halbjahr 2024. Es trägt den Titel „Sheep Asleep“ und enthält experimentelle Musik, bei der Dark Ambient auf Avantgarde trifft. Das Album ist auch über SynGate Records als CDR erhältlich. Mir lag die CDR zur Besprechung vor, die zwei Silberlinge enthält. Wer die Downloadversion erwirbt, erhält darüber hinaus noch den 78minütigen Bonustrack „Sheep Asleep“ im „Continuos Mix“.

 

 


Im Booklet ist ein Auszug eines Textes des Stückes „Cold Seed“ der schwedischen Gothic Metal Band Tiamat abgedruckt, die das Stück 1997 veröffentlicht.

All I asked for was a little love
But from my hands flew the maiden dove
While clouds like cotton snow-white sheep
Still calm beside their shepherd sleep

Michael dazu: Der Tiamat-Text war meine Inspiration für den Titel. Ich habe den im Booklet abgedruckt, um deutlich zu machen, dass sich der Titel NICHT auf den leider in der rechten Szene und unter Verschwörungstheoretikern während Corona in Mode gekommenen und inflationär verwendeten Begriff „Schlafschafe“ bezieht (oder dessen englisches Pendant). Meine Idee ist schon älter als das, und ich wollte mich damit von einer solchen Lesart distanzieren.

Die erste CD enthält zehn Stücke mit Laufzeiten von 1:36 bis 12:52 Minuten Spielzeit. Los geht es mit dem 1:36minütigen „Andãsta“. Der Track bietet flirrende, surreale Klänge, die in flirrende Soundmuster übergehen und dann nahtlos in den nächsten Track, dem 10:34minütigen Titeltrack münden. Hier kommen nun einige Harmonien auf, die sich mit flirrenden verbinden. Michael hat hier außergewöhnliche Sounds kreiert, die das Stück spannend machen. Auch die Rhythmusmuster aus den Sequenzern überzeugen und bekommen eine Spur „Berliner Schule“. Nach etwas mehr als 2:30 Minuten kommt dann ein pumpender Beat auf, der das Stück nun nach vorn treibt und die Hörer in einen hypnotischen Sog zieht. Das klingt richtig gut. Michael baut unglaublich viele Klänge in diesen Track ein, ohne dass er dadurch überladen wirkt. Für mich ein Highlight des Albums.

Darauf folgt dann das 11:25minütige „Crèpuscule“, das sich nahtlos anfügt. Flächige, mystische Sounds starten in diesen Track. Die Sounds scheinen durch den Raum zu schweben und erzeugen Stimmungsbilder. Nach etwa sechs Minuten wird es dann aber recht surreal und experimentell. Nahtlos dockt dann das 9:41minütige „Doe Knees“ an. Auch hier werden Stimmungsbilder erzeugt, Dieses Mal sind es zunächst wabernde Klänge auf denen Windspiel artige Sounds liegen. Nach nicht ganz drei Minuten kommt dann ein Sequenzerrhythmus auf, der aber schon nach wenigen Momenten abebbt und durch andere Sounds abgelöst wird. Das wirkt wieder recht experimentell und surreal, geht aber erstaunlich gut ins Ohr.

Ebenfalls fast nahtlos geht es dann mit dem 6:31minütigen „Parting“ weiter. In diesem Track geht es wieder harmonischer zu, denn nun bestimmen herrliche Flächensounds, die harmonisch durch den Raum wehen, das Bild. Darauf setzt Michael wieder perlende Klangskulpturen. Ein sehr schönes, ambientes und relaxtes Stück.

Es folgt das 6:44minütige Stück „Adissonata“. Klavierartige Klänge treffen hier auf Sounds, die nach Sprachsamples klingen, die Löwenartig anmuten. Das hat was mystisch/märchenhaftes und ist doch experimentell angelegt.

Die beiden Stücke „Erlangen (Part 1)“ mit 2:15 Minuten Spielzeit und „Erlangen (Part 2)“ mit 12:52 Minuten Spielzeit weichen klanglich etwas vom Rest ab, sind aber ebenfalls Studioproduktionen. Part 1 enthält Flächensounds, die recht düster und wie ein heftiger Wind wirken. Leicht flattrige Sounds leiten dann in Part 2 über. Dieser zeigt sich auch von einer recht surrealen Seite und passt daher gut zu den anderen Tracks Es werden darüber hinaus auch leicht loungige Elemente mit eingebunden.

Das 5:32minütige „Shadow March“ und das 10:50minütige „Aish Ná“ beschließen dann die erste CD. Während „Shadow March“ zwar auch surreale Klänge aufweist, besticht es doch durch einen recht guten Rhythmus, der dem Track die nötige Würze verleiht. „Aish Ná“ hat sehr schöne flächige Sounds, die wieder eine sanfte, relaxte Stimmung verbreiten. Hier kommen nun auch wieder Harmonien auf. Im weiteren Verlauf kommt gar ein Sequenzerrhythmus hinzu. Ein weiteres Stück, das gut ins Ohr geht.

Die zweite CD enthält lediglich zwei Longtracks, die es auf einen Gesamtspielzeit von 69:55 Minuten bringen. Der erste Track ist das 10:33minütige „Ayin“. Mysteriöse Klänge erwarten die Hörer zu Beginn dieses Stückes. Michael baut hier Stimmungsbilder auf, die nach gut 2:50 Minuten rhythmische Elemente bekommen. Das wirkt zunächst ambient und bekommt durch Sounds, die wie ein Didgeridoo klingen und einige helle Klangtupfer und Flächensounds dann eine weitere Note. Bei einigen Klängen kann ich mir auch gut ein blökendes Schaf vorstellen. Nach fünf Minuten kommen weitere Sounds auf, ohne dass sich aber eine Melodielinie herauskristallisiert. Im Verlauf kommen weitere Rhythmusmuster hinzu, die leicht perkussiv wirken.

Der zweite Track dieses Silberlings ist das 59:20minütige „Shepherds Awake“. Auch hier bestimmen zunächst recht mystisch wirkende Sounds das Bild. Das klingt zunächst gar etwas futuristisch/spacig, so als würde ein Raumschiff sich durch das All bewegen oder landen oder es deutet auf eine Traumsequenz hin. Da kann sich jeder dann selber ein Bild machen. Nach einigen Momenten wird der Sound dann etwas surreal und auch düster. Michael baut Stimmungsbilder auf, die sich nur langsam verändern und eine gewisse düstere Grundstimmung besitzen. Erst nach mehr als 32 Minuten wird es dann ruhiger und harmonischer, verbleibt aber im ambienten Stil und wechselt nach einigen Momenten wieder in einen Dark Ambient-Part. Ab jetzt wechseln sich ruhigere und düstere Passage ab. Insgesamt wirkt der Track auf mich wie ein langer, fiebriger Traum.

Das neue Album „Sheep Asleep“ von Michael Brückner widmet sich vorrangig den Freunden experimenteller und Dark Ambient-Musik und enthält teilweise recht heftigen Stoff (vor allem auf dem zweiten Silberling). Daher empfehle ich zunächst in das Album hineinzuhören.

Stephan Schelle, Juli 2024

 
   

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