Elleven - 8030
Headstrong Music (2025)

(9 Stücke, 76:43 Minuten Spielzeit)

Bis ins Jahr 2001 reicht die Geschichte der Band Elleven. Ex-Chandelier-Mitglieder Tom Jarzina (Schlagzeug) und Stephan Scholz (Bass, Gitarre) zusammen mit Julia Graff (Gesang) fanden sich zusammen um mit Elleven eine neue Band zu formieren. Wenig später komplettierten dann Armin Riemer (Keyboards) und Carsten Hütter (Gitarre) die Band. So entstand unter Mithilfe von Roger Weitz (Flying Circus, Thin Crow) am Bass und an den Reglern das Debütalbum „Insight“, das 2007 das Licht der Welt erblickte. Mit diesem Werk ernteten sie europaweit gute Kritiken.


Berufliche und private Gründe zwangen die Band immer wieder zu Umstrukturierungen, was zu erheblichen Pausen führte. So dauerte es bis ins Jahr 2016, in dem der Nachfolger „Transfiction“ erschien. Und der Rhythmus von neun Jahren zwischen den Veröffentlichungen scheint sich eingespielt zu haben, denn erst im Mai 2025 ist nun das dritte Album, das den schlichten Titel „8030“ trägt, erschienen.

Die aktuelle Besetzung ist nun seit etwa 2 Jahren komplett, denn auch bei Album Nummer drei musste man ein paar personelle Engpässe überbrücken. Eine zeitlang waren Julia Graff und Armin Riemer nur noch zu zweit im Proberaum und arbeiteten an neuen Songs. Die Kompositionen wurden schließlich mit der Rückkehr von Carsten Hütter, dem neuen Mann am Bass René Lozynski und schließlich Michael Hahn an den Drums zum aktuellen Longplayer geformt. „8030“ ist ein Konzeptalbum, das sich all den Höhen und Tiefen einer Beziehung widmet. Atmosphärisch, emotional und voller Power und Leidenschaft.

Das neue Album, das mir in der CD-Version vorliegt, erscheint in einem vierseitigen Digipak mit zwölfseitigem Booklet. Es handelt sich um ein Album bei dem die neun Songs die unterschiedlichen und vielfältigen Emotionen einer Beziehung musikalisch in einem Zeitraum von 8030 Stunden, 11 Monate abbilden. Zwei Menschen lernen sich kennen, verlieben sich, werden ein Paar, streiten, zweifeln, stellen in Frage, finden zueinander, entfernen sich voneinander…

Es beginnt mit dem mehr als 14minütigen Stück „Contact“, bei dem die beiden Protagonisten aufeinander treffen. Nach einigen ersten Klängen kommen gesprochen Texte von verschiedenen Stimmen auf. Darunter bilden sich langsam Neo-Prog artige Klänge. Nach etwas mehr als anderthalb Minuten schält sich dann eine herrliche Melodie heraus, die sehnsuchtsvoll durch den Raum zieht. In dem ausufernden instrumentalen Intro sorgt ein Gitarrensolo für Gänsehaut. Nach gut fünf Minuten setzt dann Julia Graffs Gesang ein. Danach bekommt der Track eine rockige Note. Die Band wechselt die Strukturen, Rhythmik und Instrumentierung. So wird Julia im Mittelteil von einer Akustikgitarre begleitet, was eine sanftere Atmosphäre ausstrahlt.

Im folgenden „Persuasivness“ verarbeitet die Band dann das Herzrasen, das eine neue Liebe verursacht. Die Gitarrenklänge am Anfang erinnern ein wenig an Saga, werden aber von druckvollerem Schlagzeug in eine andere Richtung geschoben. Ein eingängiger Song, der zwischen zartem Gesang in den Strophen und druckvollem Refrain wechselt.

Einen Kneipenbesuch mit Jamsession bietet das Stück „Attraction“. So beginnt das Stück auch mit Stimmgewirr wie aus einem Club, was eine gewisse Liveatmosphäre verströmt. Daraus entwickelt sich ein sanfter Rocksong mit leichtem US-Rock-Flair.

Doch schon machen sich Zweifel breit und die Ungewissheit wächst, ob die Gefühle, die sich in einem regen auch vom Anderen erwidert werden. Das verarbeitet der Song „Uncertainty“. Ein knackiger Rocksong mit Taktwechseln und rauen Gitarrenklängen, der auch Neo-Prog-Klänge aufweist. Im Refrain wird dann Julias Stimme gedoppelt.

„Desire“ handelt dann von einer Gewitternacht voller Sex. Er beginnt mit einem Bassmotiv, das mich an den Rhythmus von Alan Parsons Project „A Dream Within A Dream“ erinnert, und das von Donnergrollen und gesprochenem Text sowie einigen Pianotupfern durchzogen ist. Dann setzt in diese Atmosphäre Julias Gesang ein, der wie eine Erinnerung an ein schönes Ereignis wirkt. Das Bassmotiv wird nun von druckvollem Schlagzeug und einem eindringlichen Gitarrensolo begleitet.

Doch dann die Konfrontation, Erschütterung und Veränderung in „Venture Clash Clarity“ mit der aufkeimenden Erkenntnis, dass ein Einstehen füreinander auch ein Einstehen für sich selbst bedeutet. Sanfte Keyboardklänge und eine atmosphärische Gitarre leiten in den zweiten Longtrack, der es ebenfalls auf mehr als 14 Minuten Spielzeit bringt. Nach zwei Minuten zieht der Rhythmus durch Gitarre und Schlagzeug an. Es entwickelt sich ein mitreißendes Stück mit herrlichen Melodien, die zwischen Artrock und Neo-Prog wandeln. Das Stück besteht aus drei unterschiedlichen Parts, die unterschiedlich angelegt sind. So ist der Part „Clash“ vom Tempo wesentlich langsamer und balladesker während die Wah Wah-Gitarrenklänge in den ersten beiden Parts für ein einheitliches Gefühl sorgen. Im letzten Part „Clarity“ kommen dann einige Marillion artige Sounds auf.

Enttäuschung und Wut, ungeahntes Entfernen voneinander thematisiert dann der mehr als neunminütige Song „Deception“. Zunächst geht er aber sehr atmosphärisch und sanft los. Julia singt ihren Text zunächst sehr sehnsuchtsvoll. Progige Elemente mit Mellotron artigen Harmonien, die an Genesis erinnern, finden sich nach gut drei Minuten in dem Stück. Und dann geht es mehr in Richtung Hardrock mit Progeinschlag.

In „Release“ geht es schließlich um das Loslassen. Herrliche Keyboardklänge und weite Flächen eröffnen diesen Song. Dann setzt ein unter die Haut gehendes, atmosphärisches Gitarrensolo ein. Ein eindringlicher Song, mit eingängiger Melodie und sehr schönen Soli.

Am Ende zeichnet das elfminütige „Conciliation“ einen Ausblick auf eine versöhnliche Zukunft, in welcher Form auch immer. Eine Akustikgitarre, zu der helle Keyboardklänge eingestreut werden sind die Grundlage auf der Julia ihren Gesang setzt, der auch hier an einigen Stellen gedoppelt wird. Auch diesen Longtrack hat die Band sehr abwechslungsreich gestaltet.

„8030“ ist das dritte Album der deutschen Band Elleven innerhalb von 24 Jahren. Das ist zwar nicht gerade viel, enthält aber qualitativ hochwertige Songs, die sich in der Schnittmenge von Art-, Prog- und Neoprog-Rock bewegen. Vor allem die teils ausufernden Instrumentalpassagen wissen zu begeistern.

Stephan Schelle, Mai 2025

   

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