Lars Fredrik Frøislie – Gamle Mester
Karisma Records / Plastic Head (2025)

(6 Stücke, 47:14 Minuten Spielzeit)

Auf seinem zweiten Soloalbum „Gamle Mester“ (Alter Meister) huldigt Lars Fredrik Frøislie den Größen der Vergangenheit. Er lässt sich nicht nur von den Pionieren des Progressive Rock, sondern auch von Kunst, Literatur und Mythologie inspirieren und reflektiert über zeitlose kreative Leistungen, die auch heute noch nachwirken. Der Titel leitet sich von der uralten Eiche „Den Gamle Mester“ ab, die auf dem Krødsherad Prestegård steht und die auch das gleichnamige Gedicht von Jørgen Moe inspirierte. Dieser symbolische Baum zieht sich wie ein roter Faden durch das Album und steht für Weisheit, Ausdauer und den Lauf der Zeit.


Das Album ist am 09.05.2025 erschienen. Der Sänger und Keyboarder der norwegischen Band Wobbler veröffentlicht nach dem wunderbaren „Fire Fortellinger“ mit „Gamle Mester“ sein zweites Soloalbum. Darauf hat er wieder zahlreiche Instrumente selbst eingespielt. Nur am Bass wurde er von Nikolai Hængsle und an Quer- und Blockflöte von Ketilk Vestrum Einarsen unterstützt.

Mit „Demring“ (Morgengrauen) startet er in das Album und macht da weiter, wo er bei seinem Solodebüt aufgehört hat. Es beginnt mit herrlichen Orgelklängen, die sofort an den Rock der 70’er Jahre erinnern. Das Instrumentalstück bekommt durch Schlagzeug und den treibenden Bass ordentlich Drive. Das erinnert auch an Bands der Marke Camel und bekommt durch den Einsatz der Querflöte eine weitere Note.

Im epischen „Jakten På Det Kalydonske Villsvin“ (Die Jagd nach dem kalydonischen Eber) geht es um die musikalische Nacherzählung einer berühmten Darstellung Rubens’. Das Stück erzählt die Geschichte von König Oeneus, der, nachdem er die Göttin Artemis nicht geehrt hat, ihren Zorn in Form eines monströsen Ebers auf sich zieht, der sein Land verwüsten soll. In diesem zehnminütigen Stück gibt es zahlreiche Wendungen und Strukturwechsel. Mal zart, dann wieder recht druckvoll und rockig hat er das Stück angelegt. Mehrfach kommen einem Hinweise auf Bands wie King Crimson, BJH oder Genesis in den Sinn. Sehr schön ist in diesem Stück auch die Instrumentierung, bei der kraftvolle Orgelklänge und Bassmotive auf Cembalo, Flöten oder Glockenspiel treffen. Gesungen wird hier in auf Norwegisch, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt.

„Gamle Mester“ ist ein Instrumentalstück, bei dem ein Keyboardmotiv im Vordergrund steht. Auch dieses ist im 70’er-Jahre Rock verortet, hat aber auch einige Klangfarben, die an die Solowerke des Keyboarders Bo Hansson erinnern, sie sind aber wesentlich eingängiger und rockiger angelegt. Ein klasse Instrumental.

„Medusas Flåte“ (Das Floß der Medusa) beginnt mit einem Thema, das die gewaltige Majestät und die Gefahr des Meeres einfängt und das erschütternde Schicksal der 150 Seelen schildert, die nach dem Untergang der französischen Fregatte Medusa im Meer trieben. Nach 13 Tagen überlebten nur 15 von ihnen, die hungernden und dehydrierten praktizierten schließlich Kannibalismus - eine düstere Geschichte, die in Géricaults ikonischem Gemälde verewigt wurde. Auch aus diesem Thema hat Froislie ein episches, neunminütiges Musikstück geschaffen. Während der erste Teil rockig rüberkommt, ist der zweite Teil recht hymnisch mit Orgelklängen ausgestattet, was die Dramatik des Themas unterstreicht.

„De Tre Gratier“ (Die drei Grazien) benannt nach den Töchtern des Zeus. Dieses 12-minütige Longtrack fasst noch mal alles zusammen, was „Gamle Mester“ zu bieten hat und ist ein Füllhorn an Ideen. Knackige Rhythmen vom Schlagzeug und ein markantes Bassspiel treffen auf wunderbare Keyboard-Passagen und schwebende Flötenmelodien. Froislie spielt hier auch mit der Dynamik und wechselt zwischen rockigen und leisen Tönen. Ein hervorragender, zwölfeinhalbminütiger Longtrack.

Den Abschluss bildet dann das etwas mehr als dreiminütige „Skumring“ (Abenddämmerung). Ein sanfter, instrumentaler Ausklang, der hauptsächlich von Piano- und Keyboardklängen bestimmt wird.

Mit „Gamle Mester“ macht der norwegische Multiinstrumentlist da weiter, wo er mit seinem grandiosen Debüt „Fire Forteller“ aufgehört hat. Das Album enthält ein Füllhorn an tollen Sounds und Melodien, die zwar im 70’er Jahre Rock verortet sind, aber keineswegs verstaubt klingen. Erneut eine absolute Empfehlung.

Stephan Schelle, Mai 2025

   

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