Rick Miller – One Of The Many
Progressive Promotion Records (2024)

(8 Stücke, 54:04 Minuten Spielzeit)

Rick Miller ist ein aus Kanada stammender Musiker, der hierzulande immer noch unter dem Radar fliegt, obwohl er seit 2004 schon 14 Alben in der Sparte Progressive Rock veröffentlicht hat. Dem deutschen Label Progressive Promotion Records ist es zu verdanken, dass seine Musik auch in Europa erhältlich ist. Mit „One Of The Many“, das am 01.03.2024 veröffentlicht wurde, ist das mittlerweile achte Album auf dem deutschen Label erschienen. Auf diesem Album geht es um Träume, Erinnerungen und vergangene Leben.


Im Titelsong singt Miller: „Vor langer, langer Zeit, das Leben vor der Maschine. Du musstest selbst denken, Youtube war nur ein Traum. Du kannst einer der vielen sein oder einer der wenigen. Brauchst du wirklich ein iPhone 3, das dir sagt, was du tun sollst? Wir sehen die Dinge, die wir sehen wollen, unsere Version der Realität. Während die Fake News die Luft füllen, versteckt sich die Wahrheit irgendwo da draußen. Sie wollen dich zu Tode erschrecken, damit du auf Pay-per-View einschaltest. Die Wahrheit wird in winzige Stücke zerrissen, damit wir eine Million Hits erreichen können.“ Das gibt den Tenor des Albums perfekt wider.

Grafisch ist das Thema sehr schön auf dem Coverartwork abgebildet, das eine Masse von Individuen zeigt, die am Netz hängt, während ein einzelner den Inhalt der Informationen gestaltet. In der heutigen Realität ist es eine Vielzahl von Menschen, die teils anonym „ihre Wahrheiten“ im Netz der Netze verbreiten und von vielen als Realität angesehen werden. Auch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz sorgt derzeit dafür, dass man kaum noch einem Bild oder Ton Glauben schenken kann. Und in der Kriegsführung wird auch schon seit einiger Zeit von allen Seiten für die Informationsverbreitung im eigenen Sinne gesorgt und so eine digitale Kriegsführung vorangetrieben. Ein schwieriges, zwiespältiges und aktuelles Thema dessen sich Rick Miller angenommen hat.

Das Album erscheint in einem Jewelcase mit achtseitigem Booklet, in dem sich alle Songtexte befinden. Die acht Stücke auf dem Silberling variieren mit Laufzeiten von 3:52 bis 13:10 Minuten Spielzeit.

Wie auf den Vorgängeralben besteht die Musik von Rick Miller aus melodiösem, symphonischem Prog. Das zeigt sich auch gleich im 8:21minütigen Eröffnungsstück „Atrophy“, das den typischen Stil von Miller aufweist und auf den Rest des Albums hindeutet. Mit düsteren Synthesizerklängen startet Miller in diesen Track. Nach einer halben Minute kommen dann aber ein Rhythmus, Synthesizerflächen und kurz darauf eine herrliche Gitarrenharmonie auf. Jetzt entwickelt sich der Song langsam zu einem sehr atmosphärischen Progsong, bei dem Keyboard und Gitarre die Grundelemente darstellen. Ab Minute drei setzt dann Ricks sanfter Gesang ein. Nach mehr als vier Minuten kommen dann arabisch wirkende Sounds auf. Ein wunderschöner, sanfter Song mit viel Atmosphäre.

Mit dem 3:52minütigen „Time Goes On“ kommt dann ein kürzeres Stück auf, das aber eine ebenso atmosphärische Stimmung mit sehr schönem Gitarrensolo verströmt. Einige eingeflochtene Samples lassen die Nähe zu Bands wie Pink Floyd zu.

Im 8:29minütigen „The Lost Years“ in dem Rick die Zeile „For I am your knight in white Satin …“ singt, bringt er einen augenzwinkernden Verweis auf die Band Moody Blues. Der Song beginnt aber zunächst mit einem rockigen Gitarrenriff auf das eine engelsgleiche Frauenstimme einsetzt. Sprachsamples und gesprochener Text kommen später auf und Rick taucht stellenweise in 70’er-Jahre Rockflair ein. Verschiedene Stile werden von ihm zusammengemixt – darunter auch symphonischer Rock á la Moody Blues mit typischen Mellotronklängen.

Mit „She Of The Darkness“ folgt dann ein 3:57minütiges Instrumental, bei dem Flächen und eine sanfte romantische Pianomelodie den Track starten. Vor allem durch Giulia Cacciavillanis Flötenspiel gewinnt dieser Track dann an Substanz. Dem schließt sich dann das 4:54minütige Titelstück an. In diesem agiert Miller wieder mehr im Artrock von Pink Floyd, Alan Parsons & Co. Elektrische und akustische Gitarre gehen in diesem Stück eine sehr schöne Liaison ein, die mit flächigen Sounds und Sprachsamples verfeinert wird.

Mit dem 13:10minütigen „Purchase To Dream“ hat Miller dann noch einen Longtrack auf dem Album. Akustikgitarre, Vogelgezwitscher und Flöte eröffnen das Stück. Während der Song streckenweise von einer lieblichen Melodie durchzogen ist, geht es hier um das ernste Thema von den „Maschinen“ abhängig zu sein und einer Scheinwelt zu trauen. Der Track lässt sich viel Zeit für ausufernde Soli und Melodiewechsel. Bei diesem Longtrack kommt in keinem Moment Langeweile auf. Er versprüht ein leichtes Alan Parsons-Flair.

Das 6:45minütige „Wonderlust“ versprüht ein wenig Wehmut, was auch durch den choralen Gesang und das Cellospiel von Mateusz Swoboda und Artem Litovchenko hervorgerufen wird. Mit dem 4:36minütigen „Another Time“ endet das Album mit Akustikgitarre und sehr nachdenklichem Gesang, der vom Cellospiel untermalt wird.

Auch mit seinem achten Album auf dem Progressive Promotion Records Label hält der Kanadier Rick Miller seinen qualitativen Standard. Es ist dem Musiker zu wünschen, dass er endlich mehr von den Rockfreunden der Szene beachtet wird.

Stephan Schelle, April 2024

   

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