Sylvan – Back To Live
Gentle Art Of Music / Soulfood (2024)

(12 Stücke, 92:44 Minuten Spielzeit)

Die deutsche Artrockband Sylvan veröffentlicht - rechtzeitig zu ihrem Auftritt beim finalen Night Of The Prog-Festival - am 12.07.2024 ihr zweites Livealbum (wenn man die DVD „Posthumous Silence - The Show“ nicht mitzählt) unter dem Titel „Back To Live“. Sechs Jahre nach ihrem Album „Home“ hatte sie mitten in der Corona-Epidemie ihr zehntes Studioalbum „One To Zero“ veröffentlicht. Doch die harten Bestimmungen hinderten sie ihr Werk live zu präsentieren. Jetzt sind sie endlich wieder zurück und das mit einem beeindruckenden Livemitschnitt.


Marco Glühmann (Gesang), Matthias Harder (Schlagzeug), Sebastian Harnack (Bass), Volker Söhl (Keyboards) und Johnny Beck (Gitarre) konnten in 2023 endlich wieder die Rockbühnen entern. Am 27.10.2023 spielten sie ein Konzert im niederländischen Zoetermeer im Poppodium Boerderij. Das ist ein Ort, an dem schon zahlreiche Acts aus dem Prog- und Artrockbereich aufgetreten sind und auch live mitgeschnitten haben. Auch Sylvan nutzten diese Venue um ein druckvolles, hinreißendes Konzert vor begeistertem Publikum aufzunehmen. Und das Ergebnis ist herausragend. Es wird in den Formaten Doppel-Vinyl, DoppelCD und BluRay sowie als Download auf allen Plattformen veröffentlicht. Mir lag zur Besprechung die DoppelCD-Version vor, die in einem vierseitigen Papersleeve daherkommt.

Auf dem Programm standen neben vier Stücken ihres aktuellen Studioalbums „One To Zero“ vier Stücke ihres grandiosen Konzeptalbums „Posthumous Silence“, sowie jeweils ein Track von den Alben „Home“, „X-Rayed“, „Force Of Gravity“ und „Presets“.

Sylvan besitzen die Eigenschaft ihr Publikum auf eine emotionale Reise mitzunehmen, indem sie sowohl, leise, ruhige, melancholische wie auch vor Energie strotzende, druckvolle und manchmal auch komplexe Parts miteinander verbinden. Der Fokus liegt dabei aber immer auf der Melodie. Erstes Erkennungsmerkmal ist natürlich die Stimme von Sänger Marco Glühmann, die zwischen kraftvollen bis zu zerbrechlich wirkenden Stimmungslagen alles bietet. Aber auch die Instrumentalisten sorgen immer für einen ausgewogenen Klang, der mit komplexen Teilen gewürzt wird. Matthias Harder treibt zusammen mit Sebastian Harnack die Stücke voran und die Beiden bauen dabei auch manch krumme Taktrate ein, die die Songs so besonders machen. Und Volker und Johnny verzaubern immer wieder mit herrlichen Soli. Das zeigt sich besonders in den Liveperformances, wovon man sich auf „Back To Live“ überzeugen kann.

Schon der Opener „In Between“, den sie auf 11:32 Minuten Spielzeit ausgeweitet haben und der mit einem flächigen Keyboardintro beginnt, zeigt die ganze Klasse der Band. Der Song startet zunächst noch recht ruhig und explodiert dann förmlich im Refrain. Dazwischen bauen sie herrliche Soli ein. Ein sehr guter Opener, der sofort die Stimmung im Saal steigen ließ.

Zart, zerbrechlich und hoch melodisch geht es dann im ersten Song vom „One To Zero“-Album, dem 6:54minütigen „Encoded At Heart“ weiter. Der Song steigert sich dann zu einem hymnisch/voluminösen Ende. Danach präsentieren sie mit „Trust In Yourself“ einen weiteren Song vom „One To Zero“-Album, der zwischen sehr melodischen, druckvollen und symphonischen Momenten wandelt. Sehr schön ist auch das Gitarrensolo von Johnny Beck, das streckenweise mit tollen Bassmotiven unterlegt ist.

Der Longtrack „Given, Used, Forgotten“ ist ein Liveklassiker der Band, der die ganze Bandbreite von Sylvan zeigt. Er wird hier in einer 13minütigen Version geboten. Den Abschluss der ersten CD bildet dann das druckvolle „King Porn“. Das ist teilweise ein fettes Brett, denn hier haut das Hamburger Quintett neben filigranen Passagen und sogar leicht bluesigen Elementen Metalriffs und -rhythmen raus.

Der zweite Silberling startet mit „Part Of Me“ vom aktuellen Album. Das Stück zeigt ebenfalls die ganze emotionale Kraft, die vor allem durch Volkers Keyboardmelodie und Marcos sanftem Gesang unter die Haut geht. In der Studiofassung hat Katja Flintsch Violine beigesteuert, die scheint hier vom Band zu kommen, was die Livequalität aber nicht beeinträchtigt. Ein klasse Song, der live wuchtig und voluminös klingt.

Weiter geht es dann mit dem wunderbaren „In Chains“, das nun die „Posthumous Silence“-Phase einläutet. „The Colors Changed“ ist ein Fanfavorit, der seit vielen Jahren nicht fehlen darf und bei dem die Besucher immer wieder Leuchtstifte schwenken. Der filigrane Song geht immer - so auch hier - direkt unter die Haut.

Mit „Heal“, das auch einige stilistische Merkmale von Bands wie Marillion aufweist (herrliches Gitarrensolo von Johnny) und „Go Viral“ (mit seiner Mixtur aus elektronischen Sounds und kraftvollen Rhythmen) vom aktuellen Album wird die „Posthumous Silence“-Strecke unterbrochen um dann mit „A Kind Of Eden“ von Posthumous Silence und dessen Titelstück in den Endspurt zu starten.

„A Kind Of Eden“ ist ein wunderbarer Song, der durch seine Gänsehaut treibende Melodie immer wieder überzeugt. Und zum Song „Posthumous Silence“ muss wann wirklich kaum noch Worte verlieren, ist er doch durch seine intime Stimmung nicht zu überbieten. Und das Gitarrensolo ist einfach nicht von dieser Welt.

Auch wenn Volker Söhl und Johnny Beck mit Violent Jasper und Marco Glühmann mit „A Fragile Present“ äußerst gelungene Solowerke veröffentlicht haben, so ist es doch eine Freude endlich wieder ein Album von Sylvan in den Händen zu halten. Vor allem wenn die Band dann auch noch so vor Spielfreude und Energie strotzt. Man merkt den fünf Protagonisten förmlich an, dass sie endlich wieder „Back To Live“ sind. Das verspricht ein grandioses Konzert beim finalen Night Of The Prog-Festival, dass sich keiner entgehen lassen sollte. Auch die klangliche Umsetzung, bei der Yogi Lang mit dem Mixing und Mastering wieder ganze Arbeit geleistet hat, lässt keine Wünsche offen.

Stephan Schelle, Juli 2024

   

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