Werkschau Marek Arnold
- Teil 1
November 2025

Fast
Einhundert Alben auf einem über 30-jährigen Weg
Wer
sich als Liebhaber im Bereich anspruchsvoller Rockmusik etwas für
deutsche Künstler interessiert, der kommt um den Namen Marek Arnold, im
sächsischen Meerane am 07. November 1974 geboren und aufgewachsen,
inzwischen nicht mehr herum. Er ist ein meist gut gelaunter, etwas
introvertierter Kultur-Tausendsassa, in dem sich wahrlich ein
musikalischer Titan versteckt. Ich habe mich bisher mit unzähligen
Biografien abseits der ausgetrampelten Pfade beschäftigt, dabei für
mich viele leuchte Edelsteine an die Oberfläche gebracht. Aber nur
wenige leuchten so strahlend hell und von unterschiedlicher Seite
gesehen anders.
Ich
bin über viele von Marek’s Projekten, die ich dankenswerterweise in
den letzten Jahren intensiv begleiten durfte, tief in das üppige und
komplexe Universum dieses unscheinbaren, bescheidenen, studierten
Musikers (Hochschule für Musik und Theater Leipzig) eingetaucht. Seine
Liebe für Musik und alle Menschen die sich zusammen mit ihm damit beschäftigen
ist immer sehr stark spürbar. Vielleicht ist das sogar sein unerschöpflicher
Brennstoff für seinen unermüdlichen Einsatz für die deutsche
Musik-Kultur und darüber hinaus. All das genannte macht ihn
berechtigterweise deshalb ebenso überaus beliebt bei seinen Freunden in
jedem Bereich; Schüler, Musiker, Fans, Veranstalter, Labels, Magazine;
des globalen Musik-Zirkus und er ist inzwischen weltweit bekannt und gut
vernetzt.
Wer
sollte ihm beispielsweise ein Interview für einen Podcast abschlagen,
den produziert er seit 2024 für das digitale Magazin &
Internet-Radio Stone Prog?? Ein sehr modernes, zeitgemäßes Format, das
es inzwischen auf fast 30 kurzweilige Gespräche (Stand September 2024),
mit Menschen die sich im Bereich Musik professionell beschäftigen,
gebracht hat. Wenn man so will, vertrauliche Gespräche auf Augenhöhe
unter Kollegen, bei dem mitgeschnitten und dann später digital
eingestellt wird. Hört doch mal rein bei einigen der 30-minütigen
Sessions, ihr werdet überrascht sein wie unterhaltsam und informativ
sich dort ausgetauscht wird.

Aber
dieser Podcast ist ja nur eine Facette von Marek’s Mammut-Arbeit.
Schon mit der einleitenden Überschrift wird deutlich, welch ein Musiker
hier porträtiert werden soll. Er hatte inzwischen bei fast einhundert
Alben seine Finger im Spiel gehabt, in verschiedener Intensität sowie
Art und Weise, wie man es so schön sagt. Und das ist ganz bewusst
doppeldeutig gemeint, denn Marek spielt nicht nur mindestens ein Dutzend
verschiedene Instrumente, er ist auch ein exzellenter Könner in
Komposition, Arrangement, Produktion, Technik, Studioarbeit, Verknüpfen,
eben ein immer konzentrierter, zielorientierter Tausendsassa.
Jedes
einzelne Werk seiner vielen Projekte hier detailliert vorzustellen würde
sicher den Rahmen sprengen. Aber die wichtigsten Veröffentlichungen von
Marek Arnold werden hier im Beitrag (und einem späteren zweiten Teil)
ausführlich erwähnt und die Geschichten dazu versucht etwas
nachzuzeichnen. Wegen der Übersichtlichkeit bin ich, bis auf eine
Ausnahme, chronologisch vorgegangen. Von einem Zersplittern der fließenden
Geschichte in Beiträge zu den einzelnen Bands und Projekten habe ich
ebenso aus verschiedenen Gründen Abstand genommen. Ich habe bei den frühen
Stationen der Karriere von Marek viel Hilfe und Unterstützung
gebraucht. Das war bei jeder der bisherigen Werkschauen so gewesen und
wird auch bei den kommenden interessanten Beiträgen dieser Serie nicht
anders sein. Und Marek hat da eine Menge geliefert, nicht erst jetzt,
sondern auch schon vorher bei den Interviews, beim Studio-Report, beim
Vorstellen seiner letzten Alben und Projekte.
Ich
möchte mich ausdrücklich bei ihm für sein exzellentes Promo-Material
und seine Offenheit bedanken, ohne das so eine Werkschau in dieser
Dichte und Qualität nicht möglich gewesen wäre. Und auch wenn du,
Marek damals, als du diese ganzen frühen Geschichten für deinen
musikalischen Adventskalender mühsam zusammengetragen, aufgeschrieben
und veröffentlicht hast, nicht damit gerechnet hast, dass sie noch
einmal sehr wertvoll werden könnten, hier ist der Beweis wie gut deine
(Vor)Arbeit auch hier war.
Das
kleine Dorf Remse, nordwestlich von Zwickau, ländlich ganz in der Nähe
von Waldenburg und zwischen den Städten Altenburg und Chemnitz gelegen,
ist seine jetzige Heimat. Remse ist ein idyllischer Ort am Ufer der
Zwickauer Mulde. Hier wohnt Marek Arnold mit seiner Frau, drei Kindern
und einem lebhaften Hund. Er selbst sagt: „In meiner wilden Zeit in
Leipzig habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, mal so ein Leben in
einem kleinen bürgerlichen Haus mit Garten in einer dörflichen
Siedlung auf dem Berg zu führen. Heute bin ich froh darüber.“

Marek
Arnold (2025)
Was
wohl überhaupt nicht so schnell vorauszusehen war, ist ein großes,
massives, modernes Holzhaus daneben. Sehr gut von Spitzbub Marek geplant
und umgesetzt, befindet sich darin ein komplett eingerichtetes modernes
Tonstudio, sein B’Side-Music Studio. Dort habe ich, wie inzwischen unzählige
interviewte für den Podcast, auch schon zweimal ganz bequem in der gemütlichen
Lounge beim Käffchen zusammen mit dem gut gelaunten und gesprächsfreudigen
Marek gesessen und über alles Mögliche gequatscht. Damals natürlich
über die aktuellen Projekte – Zeiten, Ziele, vielleicht später
Zukunft – mit seinem musikalischen Bruder Manuel Schmid, aber auch das
erste 80-minütige Konzept-Solo-Album Marek Arnold’s Artrock Project,
sowie das die Trilogie abschließende Album „THE?Truth“ von Seven
Steps To The Green Door. Alle diese Alben sind inzwischen erfolgreich
veröffentlicht und dazu haben wir bei Stone Prog natürlich immer
zeitnah verschiedentlich berichtet. Aber chronologisch am Ende des
Beitrags gibt es noch einmal ein paar Worte mehr dazu. Aus gut
unterrichtenden Kreisen weiß ich, dass die Arbeit an den Nachfolgern im
vollem Gange ist, Marek quillt halt über an Kreativität, das sollte
meiner Meinung nach hoffentlich noch lange ungebremst so weitergehen.
Ich
verfolge die Geschichte dieses Ausnahme-Musikers Marek Arnold schon sehr
lange. Ich habe bereits massenhaft Konzerte seiner verschiedenen
Projekte erlebt. Er spielt sich nie in den Vordergrund, obwohl er immer
eine tragende Rolle spielt, er ist Teamarbeiter, der das kollektive
Zusammenspiel fördert und vorlebt. Er ist ein echtes Kreativ-Kraftwerk,
hat mit seiner Arbeit in circa zwei Dutzend Projekten inzwischen eine
fast unüberschaubare Menge Kollegen, Bands und Projekte unterstützt
und gefördert. Er atmet wie ich Musik seit Geburt. Er fand in seiner
Familie glücklicherweise den Nährboden für aktives Musizieren mit
Instrumenten. Mein Lebensweg ist anders verlaufen, aber bis heute auch
maßgeblich von Musik geprägt.

Gabria
(2006)
Er
selbst sagt: „Der Berufswunsch Musiker stand bereits im zarten Alter
von 4 Jahren fest – so wurde mit 5 die Blockflöte und mit 8 Jahren
die Klarinette gequält.“ Er war jahrelang Mitglied im
Jugend-Blasorchester Meerane, mit 15 erlernte er zusätzlich Saxophon
und spielte sofort auch im Salon-Orchester von Wolfgang Prager. Seinen
ganzen klingenden Lebensweg hier nachzuzeichnen sprengt ebenso den
Rahmen, kann aber auf seiner sehr strukturierten Web-Seite von
B’Side-Music und den einschlägigen digitalen Archiven im Detail
nachverfolgt werden.
Dennoch
hier schon mal einige weitere Stationen als Eckpunkte seiner
Profi-Musiker-Karriere. Die Band-Geburtsstunde waren die Prog-Metaller
Toxic Smile (bislang 8 Alben). Völlig andere Klänge mit der
Swing/Jazz-Formation Passage, literarisch-musikalisch bei Die Stiehlblüten,
oder beim kurzzeitigen Pop-Rock-Projekt Gabria. Nach deren Auflösung
entstand 2012 daraus aber das Band-Projekt CYRIL (4 Alben bis heute).
Bereits 2004 fand sich ein weiteres interessantes
Crossover-Prog-Bandprojekt Seven Steps To The Green Door mit Musikern
der unterschiedlichsten Herkunft mit ihm zusammen. Deren Debüt „The
Puzzle“ erschien im August 2006 und konnte auf Anhieb den Deutschen
Rock-und Pop-Preis in immerhin zwei Kategorien gewinnen. Das dreiteilige
Meisterstück „THE?Book“ (2011), „THE?Lie“ (2019), wurde mit
„THE?Truth“ nun im Sommer 2024, endlich nach sagenhaften fast 14
Jahren wie Marek sagt, mit einem fulminanten Finale und einem
Triple-CD-EarBook würdig abgeschlossen. Später im Text noch viele
weitere interessante Infos und Anekdoten auch zu den oben genannten
wichtigen Stationen und darüber hinaus.
Ein
wichtiger Dreh- und Angelpunkt in Marek Arnold’s aktuellen Berufsleben
ist neben seinen mannigfaltigen Musik-Projekten auch immer noch die
Freie Jugendkunstschule Waldenburg. Bereits am Anfang seines Studiums
1994 begann Marek Keyboard, Saxophon, Klarinette und Blockflöte zu
unterrichten, seit 2006 ist er an der Jugendkunstschule Waldenburg für
genau diese Instrumente, aber auch für Kurse in Musik-Produktion zuständig.
Er leitet dort Ensembles, arbeitet am sehr interessanten
Bandklassen-Konzept mit und betreut das Tonstudio der Jugendkunstschule.
Somit können die jugendlichen Talente sehr früh und hautnah von den
vielfältigen Erfahrungen dieses professionellen Musikers sowie Musikpädagogen
Marek Arnold profitieren. Ein fundamentaleres Lernen und Trainieren näher
an den realen Wurzeln gibt es kaum. Diese besondere Schule, bereits 1998
gegründet, ist eine vom Sächsischen Kultusministerium genehmigte Ergänzungsschule
in Trägerschaft des Vereins Europäisches Gymnasium Waldenburg. Damit
wurde ein modernes Modell geschaffen, das bundesweit für Aufsehen
gesorgt hat und in dieser Form – Gymnasium und Jugendkunstschule –
sehr eng verzahnt unter einer gemeinsamen Trägerschaft und unter einem
Dach in Deutschland in dieser Größe und Breite bisher wenig Beispiele
hat. Ich kenne ähnliche Beispiele im naturwissenschaftlichen Bereichen,
aber im Bereich Kunst ist Waldenburg sicher ein herausragendes Beispiel.
Nach diesem kleinen Ausflug zu wichtigen Stationen auf Marek’s
Lebensweg, geht es nun im weiteren Text zurück zu seinen musikalischen
Anfängen, chronologisch dann weiter zu vielen Karriere-Meilensteinen
und zuletzt im zweiten Teil dieser Werkschau über viele weitere
Stationen bis zu den Nachfolgern seiner aktuellsten Projekte.

Die
Herren (1996)
Wie
Marek Arnold selbst behauptet, nahm der Wahnsinn 2000 seinen
ernstzunehmenden Anfang, wobei es auch schon lange davor mit der
Klamauk-Truppe Die Herren (1993: „Das Perfekte Chaos“, MC), dem
Solo-Debüt (1995: „Pictures“, MC) sowie einigen kompositorischen
Beiträgen zu verschiedenen Kompilation schon beachtliche Lebenszeichen
gab. Aber aus heutiger Sicht ist sicher das Formieren der Band Toxic
Smile und die Veröffentlichung von „Madness And Despair“ (kurz
„M.A.D.“) sicher immer noch der entscheidende Startschuss für die
Karriere der beteiligten Musiker, aber besonders auch von Marek.

Toxic
Smile (2010)
In
einer Phase seiner musikalischen Selbstfindung war die Initialzündung
zufällig die Musik von Dream Theater, die seine ersten Ideen für
komplexere, keyboardbetontere Kompositionen bei ihm auslösten. Mit dem
17-jährigen Schlagzeuger Daniel Zehe und dem virtuosen Gitarristen Uwe
Reinholz waren glücklicherweise schnell kreative Gleichgesinnte
gefunden und kurze Zeit danach mit seinen Freunden Michael Brödel alias
Larry B. (Gesang) und Robert Brenner (Bass) das Bandgefüge etabliert.
Diese vier immer noch befreundeten Musiker kreuzen immer wieder die
musikalischen Wege von Marek und seinen Aktivitäten bis heute. Dazu später
im Text einiges mehr.
Während
der Produktion der CD überschlugen sich dann die Ereignisse. Über
Daniels Freundin gab es Kontakte nach Süd-Korea. Das Label BMG Music in
Seoul veröffentlichte die bereits ausverkaufte deutsche Erstauflage von
F.-Act-Records überraschend 2001 noch einmal, die stieg dort gleich
hoch in den Album-Charts ein. Toxic Smile war plötzlich und unerwartet
in Korea auf Promo-Tour, gaben Autogrammstunden und unzählige
Interviews im Hilton, gastierten bei Radiosendern, hatten einen
Stadion-Auftritt mit Slayer und Sepultura, MTV war auch zu Gast und sie
dinierten in Nobel-Restaurants mit ihrer mehrköpfigen Crew. Ein
kometenhafter Aufstieg, unbezahlbare Erfahrungen.

Toxic
Smile-Album "I'm Your Saviour" (2010)
Die
Ballade „Daydream“ schaffte es sogar in die koreanischen Charts,
„Owner Of A Lonely Heart“ (YES) und ein Titelfoto auf einer der größten
Musikzeitschriften Südkoreas half die Bekanntheit der Band weiter zu
vergrößern. Aber das speziell von Marek unter extremen Zeitdruck für
Korea komponierte Lied-Epos „Arirang“ (beliebtestes Volkslied
Koreas, Nationalhymne gesamtkoreanischer Mannschaften, Namensgeber
nordkoreanisches Festival, immaterielles Kulturerbe der Menschheit) war
ein Glücksfall bis heute. Noch heute ist Marek berechtigt stolz auf
diese Komposition und nicht ohne Grund nimmt er den Faden dazu immer
wieder auf. Toxic Smile spielten im April 2018 ihr Abschluss-Konzert
beim Artrock Festival in Reichenbach im Vogtland, veröffentlichten bis
dahin acht offizielle Werke, zuletzt „Farewell“ (2015).
Berechtigt
ultrahoch motiviert, voller Pläne und Ideen kam das junge Quintett aus
Süd-Korea zurück und machte sich unmittelbar an die Ausarbeitung der
bereits begonnenen Song-Skizzen für das Nachfolge-Album. Toxic Smile
arbeitete und probte intensiv, motiviert, energisch und kreativ, die
musikalischen Ergebnisse waren für die Band dadurch in Qualität und
Ausrichtung tatsächlich höchst zufriedenstellend. Aber nachdem die
Koreaner die Demos dann bekommen hatten, kam der große Frust. Das neue
Material wurde praktisch ignoriert, stattdessen wollte man
Schmacht-Balladen und Cover im Stil von „Wonderful Tonight“. Aber
das hatte absolut nichts mit der Musik zu tun, die Toxic Smile
eigentlich machen konnte und wollte, also wie so oft der übliche
Wahnsinn in dieser Branche. Was tun; resigniert als gezähmte
Asiensofties dieser Neuausrichtung desillusioniert zuzustimmen und die
geschlossenen Verträge erfüllen oder unter einem neuen Namen Neustart
mit der von der Band gewünschten Ausrichtung und damit stolz seine
Eigenständigkeit behalten??

Toxic
Smile-Album "7" (2013)
Man
entschied sich unter engagierter technischer Begleitung von Andy Horn
und seinem kleinem Label Famous Kitchen für die eigene Identität und
Unabhängigkeit. „RetroTox Forte“ erschien dann mit etwas Verspätung
2004, glücklicherweise aber weiter unter der Flagge Toxic Smile. Das
weinende Auge, ein Verzicht auf ein fortführen einer vermeintlich großen
Karriere in Asien. Das lachende, eine progressive Identität ohne Namensänderung
bis April 2018 (und darüber hinaus) behalten und damit bleibend ein
deutliches Ausrufezeichen für qualitativ hochwertige deutsche
Rock-Musik setzen. Der Titel „Pyramid“ ist bis heute sehr beliebt
und die Geschichte dazu geht später weiter. Ein erwähnenswertes
Nebenprojekt von Marek Arnold als Gast war zu der Zeit Testimony, eine
deutsche Heavy-Metal-Band, die sogar das Album „Picadilly Circus“
(2004) veröffentlichten. Warum ich das erwähne, auch hier ist eine
musikalische Freundschaft geblieben, denn Sänger Ronny Gruber erhob
auch seine Stimme bei den ersten drei Alben von Seven Steps To The Green
Door.

Toxic
Smile-Album "Farewell" (2015)
Der
dritte Streich von Toxic Smile innerhalb von nur fünf Jahren und dann
bereits mit einem mehr als wahnwitzigen Projekt. Marek: „Wenn ich zurückschaue
auf die Projekte der letzten Jahre, dann gibt es nur zwei, bei denen es
wirklich gut war, zu Beginn deren Dimension nicht zu kennen, sonst wären
sie aus Ehrfurcht vor Zeit- und Kostenintensität womöglich nie in
Angriff genommen worden.“
Zunächst
plante das Quintett eine Unplugged-EP, die entwickelte sich aber immer
weiter in Richtung „Rock-Band trifft auf klassisches Orchester“. Da
gibt es übergroße Vorbilder, alle mit riesigem Budget ausgestattet,
aber wir sprechen hier von einer noch heimisch unbekannten jungen (aber
talentierten) deutschen Band. Die hat aber Visionen, Leidenschaft und Förderer.
Ein komplettes Album mit neuarrangierten Titeln zusammen mit kleinem
Orchester und erweitertem Chorgesang sollte es schlussendlich sein. Ich
habe jetzt etwas Schnappatmung und zwar deshalb, weil ich mit Milla
Kapolke (Green, Grobschnitt) einige Male über sein komplexes Projekt
„Symphonic Floyd“ gesprochen habe. Ich habe die fast 4-stündige
Aufführung mehrmals Live erlebt und kann nur sagen, wie „Bilder Einer
Ausstellung Live“ von Stern Meißen, sind beides Meilensteine des
progressiven Rock. Nur hier befinden wir uns im Zeitstrom bei 2006 und
die Initiatoren sind die fünf aufstrebenden Musiker von Toxic Smile.
Schlagzeuger
Daniel Zehe, er war damals nach dem Split mit BMG in Süd-Korea als
Einziger unglücklich, verließ die Band und glücklicherweise fand sich
in Antonius Grützner schnell ein motivierter und brillanter Nachfolger.
Er hatte auch Kontakte zur Weimarer Musikhochschule und Raoul-Philip
Schmidt. Der hatte nicht nur auch Kontakt mit Paul Momberger, dem
Dirigenten der Neuen Philharmonie Frankfurt, sondern hielt fortan die
vielen organisatorischen Stricke des entstehenden Klassik-Projekts
leidenschaftlich in seinen Händen. Marek’s Erinnerungen dazu, von der
kompletten Neubearbeitung des Materials, über Proben, bis hin zu den
Aufnahmen und danach, liest sich wie eine spannende Kurzgeschichte.
Es
waren sehr viele Personen an diesem Mammut-Projekt beteiligt, einige
sollten hier erwähnt werden: Steven Tailor, Matthias Hirth, Friedemann
Condé, Frank Sattler, Andy Horn, Robert & Thomas Brenner. Für die
finalen Videoaufnahmen im März 2005 bot Schloss Waldenburg eine sehr
passende Spielstätte mit perfekter Atmosphäre und Kulisse. Trotz
vieler technischer Probleme wurde die DVD „Toxic Smile & Classic
Extension Orchestra“, auch mit einer schönen Version von
„Pyramid“, dann doch noch fertig gestellt, in 300er Auflage in
Eigenregie veröffentlicht und war natürlich umgehend vergriffen. Marek
(damals): „Eine Neuauflage ist aus verschiedenen Gründen
unwahrscheinlich.“ Stimmt nicht ganz, denn ein großer Förderer der
Kunst von Marek Arnold hat 2017 die DVD noch einmal auf seinem Label
Progressive Promotion Records veröffentlicht. Hier erst mal eine ganz
große Verbeugung vor Toxic Smile, alle Beteiligten an diesem Projekt
und Oliver Wenzler.
Während
der Vorbereitungen zu dem Klassik-Projekt gastierte Toxic Smile 2004
wieder einmal im Bergkeller Reichenbach. Dort wurde Marek Arnold vom
Schlagzeuger Ulf Reinhardt direkt angesprochen, ob er nicht Interesse an
einer weiteren Bandgründung hätte, mit Heiko Rehm (Bass, mit Ulf bei
Mothers Pride) und Andreas „Eddy“ Gemeinhardt (Gitarre) hätte man
schon passende Mitglieder dabei. Als erstes akzeptables Material Form
annahm, führte die Suche nach einem Sänger glücklicherweise zuerst
zum jungen Lars Köhler (alias Lars Kehlor). Gerne wollte man jedoch der
Band ein signifikantes Profil geben und von Beginn an mit gleich drei
Vokallisten arbeiten. Mit Marek’s Schulfreund Ronny Gruber, wie
bereits erwähnt, spielte er mit ihm bei Testimony, war schnell ein
zweiter Sänger gefunden. Dann mit der warmen Stimme von Enna Nnamtuart
alias Anne Trautmann kam, wenn auch erst fast vor Abschluss der
Aufnahmen, die perfekte dritte Stimmfarbe ins Boot. Die Band war nun
komplett, die Demos irgendwann eingespielt, fehlte nur noch der passende
Name.
Ulf
hatte Seven Steps To The Green Door (SSTTGD) in die Runde geworfen, der
Name des Debüts seiner mittlerweile aufgelösten Band. Der wurde natürlich
sofort verworfen, zu lang, schräg, komisch. Aber mangels besserer
Alternativen und Gewöhnung an das Ungewöhnliche war die Marke dann
doch gesetzt. Technisch wurde das Debüt „The Puzzle“ (2006) von
Thomas Schäfer (F.O.E.N. Musikproduktion) auf Hochglanz poliert, veröffentlich
vom kleinem Label F.-Act-Records und Vorbesteller bekamen die CD mit
einer übergroßen Gimmick-Halterung gebogen in Form eines Puzzleteils.

Erste
Bandinfo: „Wenn eine Band mit ihrem Debüt den ersten Platz beim
renommierten Deutschen Rock- und Pop-Preis gleich in den beiden
Kategorien Progressive und Experimental gewinnt, dann lohnt es sich,
genauer hinzuhören!“ Wie wahr. Das neue Material wurde bei einer
kleinen Ostsee-Visite und beim 2. Artrock-Festival 2007 am vogtländischen
Wahrzeichen Göltzschtalbrücke (weltgrößte Ziegelstein-Brücke)
erfolgreich vor Publikum getestet. Nun mal richtig in Schwung gekommen,
ließ „Step In 2 My World“ (2008), der zweite Streich der
SSTTGD-Familie, nicht lange auf sich warten. Es war die erste
umfangreichere Produktion die Marek in seinem Studio fast allein
stemmte, die durch seine inzwischen vielen weltweiten Kontakte bei
Progrock Records von Shawn Gordon (Psychic For Radio) erschien und
international für mehr Wahrnehmung sorgte.
Durch
diese Produktion entstanden später weitere langjährige und fruchtbare
Kontakte (und daraus resultierende musikalische Projekte),
beispielsweise besonders zu Guy Manning, United Progressive Fraternity,
Martin Schnella (Flaming Row), DAMANEK. Später im Text und im zweiten
Teil der Werkschau kommen wir immer wieder zu Marek’s Freunden.

DAMANEK
(2018) Foto: Copyright StudioStead Photographic
Um
die beiden Teile der Werkschau nicht zu unübersichtlich zu gestalten,
noch einmal der Hinweis, das Marek inzwischen eine fast unüberschaubare
Anzahl von Gastbeiträgen bei anderen Kollegen hatte, die ich immer nur
punktuell beleuchte, aber in der Summe später zu ebenso vielen
Gastbeiträgen von Kollegen zu seinen eigenem The Artrock Project führten.
Dennoch möchte ich hier noch die Bands Coloured Rain mit
„Celebrate!“ (2005) und Gabria, aus dieser entwickelte sich später
CYRIL, mit „Every Moment, Every Minute“ (2010) erwähnen. Aber auch
noch „Live In München“ (2006), Marek spielt hier mit 3 Freunden
leise, entspannte Töne weit abseits des Prog, der Liveband Passage.
2010 folgte noch „Weihnachten mit Passage“.
Mit
„Overdue Visit“ (EP, 2009) beginnt die bis heute andauernde Reise
mit Progressive Promotion Records (PPR) vom Prog-Scout Oliver Wenzler
und das auch noch bei den anderen Projekten von Marek Arnold. Nach dem
kräftezerrenden DVD-Projekt und der damit zweiten harten
Belastungsprobe für Toxic Smile kehrte hier erst einmal lange etwas
kreativer durchaus nachvollziehbarer Leerlauf ein. Und trotz einiger
Auftritte, beispielsweise auch mit Riverside im Rind Rüsselsheim, kam
erst wieder Schwung in die Truppe, als Oliver den sich auflösenden
Haufen mit Nachdruck wieder Motivation in die Blutbahnen pumpte. Eine
Veröffentlichung muss her, dazu ein Label, PPR war geboren und Toxic
Smile wieder zumindest mit einer EP in der progressiven Spur. Hier
verlasse ich kurz den chronologischen Faden um die Geschichte mit dem
Retter und dem fünften doppeldeutig etikettierten Werk „I’m Your
Saviour!“ (2011) flüssig weiterzuerzählen.

Stern
Combo Meissen
(2010)
Leider
verlässt Antonius Grützner nun die Band und Robert Eisfeldt wird nun
der dritte Mann hinter den Trommeln. Die ehemals Leipziger Truppe hat
sich etwas in den weiter umgebenden Regionen verstreut und auch Familien
gegründet, normale Entwicklungen, die aber das kollektive
Zusammenarbeiten nicht einfacher machte. Aber man war älter und
erfahrener geworden, die Wiederbelebung durch Motivator Oliver war auch
Ansporn und die Aussicht mit noch weiteren großen Taten die sich im
Entstehungsprozess befanden doch noch die Geschichte mit Toxic Smile
erfolgreich weiterzuschreiben, doch zu verlockend. Neue Kreative bei
technischer Politur (Markus Teske), Cover-Gestaltung (Robert Brenner)
sowie die gute Beurteilung der druckvollen Produktion ließen mit dem
ersten Studioalbum nach 7 Jahren Pause Toxic Smile quasi wieder
auferstehen.
2013
brachte neben dem Debüt von CYRIL („Gone Through Years“) auch eine
Gastrolle beim Album „The Root, The Leaf & The Bone“ vom Projekt
Manning (nach 2011: Margaret’s Children), das Album „Wir Singen Dem
Monster Ein Lied“ für die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters
(zwei Kompositionen und Mastering) und ein paar weiteren Gastrollen,
sowie auch das Album „7“ von Toxic Smile. Wer in diesem bisherigen
Text durchzählt, kommt bisher auf 6 Veröffentlichungen. Aber es gibt
noch eine Bootleg-DVD „Live At Progparade V“ (2006). Bemerkenswert
an Nummer „7“ waren 3 Dinge. Erstmals folgte die Entstehung gewollt
einer komplett neuen Strategie. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war
leider etwas ungünstig gewählt, dadurch wurde das Album vom
Konsumenten und der Berichterstattung kaum wahrgenommen. Es war das
erste Album, das technisch maßgeblich in den Händen von Martin
Schnella (Flaming Row) im Overlodge Recording Studio lag. „7“ ist
bis heute ein Album, das Fans überrascht. Mit zuletzt „Farewell“
(2015) und dem Auftritt beim Artrock Festival wurde 2018 das Kapitel
Toxic Smile vorerst geschlossen.

Flaming
Row (2012)
Wieder
im chronologischen Zeitstrom zurück nach 2011 zu Marek’s bislang veröffentlichungsreichsten
12 Monaten und Mitarbeiten beim Debüt „Elinoire“ von Flaming Row,
bei „Margaret’s Children“ von Manning, intensivsten Arbeiten am
Konzept-Album „THE?BOOK“ von SSTTGD, sowie dem kurzzeitigen Einstieg
bei der Stern Combo Meissen (SCM). Weit über 20 Jahre mussten die Fans
auf „Lebensuhr“ der legendären Band aus Sachsen warten und die
sogenannten jugendlichen Wilden Marek Arnold sowie Robert Brenner und
Larry B. haben gerade durch ihre Beiträge ohne Frage großen Anteil an
dem Erfolg dieses Comeback-Albums. Marek: „Ich freue mich, dass ich
auch ein paar Texte gemeinsam mit Norbert Jäger und meinem Dad Dieter
einbringen konnte. Was ich persönlich noch immer sehr mag, übrigens
auch in der neuen Version mit Manuel Schmid von 2014, ist „Es Geht Die
Zeit“. So markiert die „Lebensuhr“ einen sehr wichtigen Einstieg
in den deutschen Artrock für mich, und mit eigenen Songs Teil der
Historie dieser einzigartigen Band zu sein, ist nach wie vor etwas
Besonderes.“

Flaming
Row-Album "Elinnoire" (2011)
Die
zweite Veröffentlichung 2011 war ebenso bedeutend für Marek. Seit
„Step In 2 My World“ (SSTTGD) bestand die Verbindung mit Musiker,
Techniker, Produzent Martin Schnella, der gemeinsam mit Kiri Geile an
einem neuen Prog-Metal-Konzept-Album „Elinoire“ (2011, PPR)
arbeitete. Sie wollten unbedingt Marek für Flaming Row gewinnen, der
war aber gerade in den Vorbereitungen für die ersten Auftritte mit SCM
sowie in den Arbeiten an den beiden weiteren Veröffentlichungen von
Toxic Smile und SSTTGD. Nach Anhören der ersten Demos war Marek
begeistert, hatte kurze Zeit später bereits die gemeinsame Arbeit
aufgenommen und es entstand eine tiefe Freundschaft, die bis heute
Bestand hat. Martin & Marek gehören zu den Besten musikalischen
Multitalenten, die wir im deutschsprachigen Raum haben, kreative
Schwerstarbeiter, wunderbare Menschen und wahrlich Aushängeschilder der
heimischen Kulturszene.

Marek
Arnold live Rüsselsheim
(2011)
Ich
habe 2023 beide in ihren heimischen Habitat’s Osterode und Remse
besucht, nachzulesen bei Stone Prog unter Studio-Report. Zwangsläufig führte
es dazu, das Martin in der Folge auch zu SSTTGD stieß, hier schließt
sich wieder einmal ein logischer Kreis. Nicht nur, dass die Band aus
herausragenden Musikern bestand, gelang es Martin Schnella obendrein
noch ein paar der einflussreichsten internationalen Prog-Musiker für
das Debüt von Flaming Row zu gewinnen, Brendt Allman und Gary Wehrkamp
(Shadow Gallery), Billy Sherwood (YES), Jimmy Keegan (Spock’s Beard)
und einige mehr. Sie machten dieses Projekt umso spannender und mit 10-köpfiger
Besetzung wurde es sogar mehrfach live präsentiert.
Auch
das dritte Album „THE?BOOK“ von Seven Steps To The Green Door,
Marek’s insgesamt viertes großes Projekt 2011, hat eine lange und äußerst
komplexe Vorgeschichte. Die Arbeiten dazu begannen bereits direkt nach
der international erfolgreichen Veröffentlichung des Vorgängers
„Step In 2 My World“ (2008) und wer mehr Details kennt, wundert
sich, dass dieses Konzept-Album, geplant als erster Teil einer Trilogie,
nun bereits schon 2011 erschien. Auch diese von Marek gelieferte
Geschichte liest sich sehr lebendig, hier ist aber zu wenig Platz für
alle Details. Aber beim Arbeiten an den Texten einiger Werkschauen und
vielen Gesprächen sind bei mir neue Ideen entstanden um die
verschachtelten Geschichten vieler vorher hier genannten Protagonisten
vertieft zu bündeln und am Leben zu enthalten. Um es noch einmal an
dieser Stelle deutlich zu sagen, wir sprechen von prägender moderner
Zeitgeschichte Bereich deutscher anspruchsvoller Rockmusik.

Seven
Steps To The Green Door (2012)
Aber
zurück zu „THE?BOOK“ von SSTTGD. Bei diesem Projekt, das erst 2024
abgeschlossen wurde, wurde absolut nichts dem Zufall überlassen, alle
Band-Mitglieder arbeiteten fleißig an dem neuen Album, es entwickelte
sich kontinuierlich weiter, die Mosaikstücke rückten immer näher
zusammen. Nach Marek’s Anruf kam glücklicherweise Thoralf Koß mit
hinein in den Entstehungsprozess. Er schrieb ein umfangreiches
komplettes Storybook mit verschiedenen Handlungssträngen, Charakteren
und tollen Ideen, über Glauben, Vertrauen und Selbstverwirklichung, die
er später den Musikern bei einer Probe vorlas und für Begeisterung
sorgte. Nun ging es daran, Musik und Gesang hautnah mit der Geschichte
zu verweben, eine schwierige, monatelange Arbeit, denn es mussten die
wesentlichen inhaltlichen Bausteine mit den vokalen Rollen von Mensch,
Tier oder Maschinen verknüpft werden. Die Art von Musik-Projekt
erinnert mich auch an Neal Morse und Arjen Anthony Lucassen, aber auch
an einige andere vertonte Geschichten die bis in die 60er zurückreichen.

Seven
Steps To The Green Door-Album "The?Book" (2011)
Immer
mehr Gäste an Instrumenten und Stimmen kamen dazu, das Werk wuchs
weiter. Das Konzept wurde ohne Kompromisse weiterverfolgt bis zur würdigen
Präsentation des fertigen Produkts in einem von Marek’s Frau Janine
Rojé erstellten, umfangreichen 52-seitigen Mediabuch mit kompletter
Geschichte in Deutsch und Englisch (Übersetzung: Diana Guenther). Aber
auch nicht zu vergessen ist wieder einmal Oliver Wenzler, der SSTTGD nun
mit dem dritten Album bei PPR übernahm und so half, „THE?BOOK“ auch
einem noch breiteren Publikum vorzustellen. Drei Jahre harte Arbeit von
vielen beteiligten Künstlern, viele Fragezeichen bei einem zwar guten,
aber riskanten Konzept, aber am Ende ein voller Erfolg. Dank der Hilfe
eines Freundes wurde später „THE?BOOK“ als kostenlose iOS-App
umgesetzt (eBook, Musik und Game in einem).
Und
wer nun denkt 2012, war ein ruhiges und faules Jahr für den Marek, weit
gefehlt. Es war nur ein wenig Durchschnaufen für das nächste
Jahrzehnt. Gut ist, dass er noch nicht wusste, was auf ihn zurollen
sollte, dazu aber später mehr Details und Infos!!
Mit
diesem ersten Teil der Werkschau habe ich auf zwei Jahrzehnte Karriere
von Marek Arnold bis 2013 („7“ von Toxic Smile) geschaut und
versucht, die prägenden Stationen zu beschreiben. Im zweiten Teil, der
ebenso in 2013 (mit dem Debüt von CYRIL) beginnt, wird es auch wieder
spannend, denn auch in diesem Jahrzehnt ist einiges passiert. Zuletzt
das zweite Duo-Album „Ziele“ (A&O Records) zusammen mit Manuel
Schmid, das erste Solo-Album Marek Arnold’s Artrock Project (Tempus
Fugit), sowie das die Trilogie abschließende Album „THE?Truth“ von
Seven Steps To The Green Door (PPR).
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